Meine pflegebedürftige Bekannte braucht bei – anerkanntem – Pflegegrad 5 eine Versorgung zu Hause 8-10-mal täglich, nachts gelegentlich. Also haben wir eine Ganztagspflege besorgt, die 24 Stunden präsent ist (der Partner kann die Versorgung nicht übernehmen). Dafür erhalten wir 901,00 € pro Monat. Würde die Pflegebedürftige 3-mal täglich von Pflegestation versorgt, würde diese 1.995,00 € erhalten. Kann ein selbst organisierter Pfleger so viel billiger arbeiten? Es gibt ja keine Gerechtigkeit – aber so eklatant definiert? Oder: Kann man solche Situation gerichtlich klären lassen?
Mit dem Jahr 2017 wurde die Pflegeversicherung reformiert. Insbesondere wurden die bisherigen Pflegestufen in Pflegegrade umgewandelt und die Leistungen deutlicher differenziert, aber auch erhöht. Ihre Bekannte ist mit dem Pflegegrad 5 schwerst pflegebedürftig.
Besteht ein Pflegegrad können Sie wählen, ob Sie Pflegegeld in Anspruch nehmen oder eine sogenannte Pflegesachleistung.
Ihre Bekannten haben sich für das monatliche Pflegegeld in Höhe von 901,00 € entschieden und müssen sich deshalb jetzt selber um die Pflege kümmern. Sie können von dem Geld Artikel für die Pflege oder einen Aufwendungsersatz für eine Pflegeperson finanzieren. Dabei geht das Gesetz ausdrücklich davon aus, dass die Pflegekraft nicht durch das Pflegegeld vergütet werden soll, sondern lediglich eine Anerkennung für die Pflege erhält.
Die Pflegesachleistung dagegen stellt kein Geld zur Verfügung. Sie sichert die notwendige Pflege durch einen professionellen Pflegedienst vollständig ab. Auch von den 1.995 €, die die Pflegesachleistungen wert sind, könnten Ihre Bekannten wohl keine 24-Stunden-Kraft einstellen. Eine solche Eins-zu-eins-Betreuung ist durch die Pflegeversicherung schlichtweg nicht vorgesehen. Ist eine 24-Stunden-Betreuung notwendig, wird diese nur stationär, also in einem Pflegeheim erfolgen können, wenn ausschließlich Mittel aus der Pflegeversicherung zur Verfügung stehen.
Nach Ihren Schilderungen ist eine 24 Stunden Betreuung Ihrer Bekannten gegebenenfalls nicht unbedingt notwendig. Es genügt, wenn zu den pflegerelevanten Zeitpunkten jemand vor Ort ist. Wenn dies auch nachts der Fall ist, können Ihre Bekannten auch eine kombinierte Pflege wählen, d.h. sie nutzen teilweise die Pflegesachleistungen durch einen professionellen Pflegedienst und lassen sich für eine Bereitschaft durch den Ehemann oder andere Personen anteilig Pflegegeld auszahlen. Zusätzlich steht Ihren Bekannten zudem noch der sogenannte Entlassungsbetrag von 125,00 € im Monat zu Verfügung. Mit diesem können zur Entlastung pflegender Angehörige ebenfalls professionelle Dienste eingekauft werden.
Grundsätzlich ist es sehr begrüßenswert, wenn Ihre Bekannte zu Hause gepflegt wird. Sie sollte sich mit der Pflegekasse in Verbindung setzen, um eine optimale Verteilung von Pflegegeld und Pflegesachleistungen zu erreichen, wenn die Pflege durch Angehörige nicht allein bewerkstelligt werden kann. Die Einstellung einer 24-Stunden-Pflegekraft für das Pflegegeld ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen und dürfte tatsächlich gegen das Mindestlohngesetz verstoßen. Die von Ihren Bekannten aktuell gewählte Lösung dürfte daher rechtswidrig sein.
Tagesspiegel, Rechtsfrage an Denise Paetow, Fachanwältin für Sozialrecht, Juli 2017