Mit den Beschlüssen vom 29. und 30.09.2015 hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts drei Verfassungsbeschwerden gegen das zum 1. Januar 2005 in Kraft getretene Alterseinkünftegesetz nicht zur Entscheidung angenommen. Nach dessen Regelungen findet ein Systemwechsel hin zu einer nachgelagerten Besteuerung statt, so dass Renteneinkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus berufsständischen Versorgungen – zunächst mit einem Anteil von 50 % und dann bis 2040 graduell auf 100 % ansteigend – besteuert werden.
1. Die Regelungen des Alterseinkünftegesetzes, die den angegriffenen Entscheidungen zugrunde liegen, verletzen die Beschwerdeführer nicht in ihrem Gleichheitsrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
a) Der Bundesfinanzhof hat zu Recht angenommen, dass der Gesetzgeber mit der neuen Ausrichtung auf die nachgelagerte Besteuerung, soweit sie in der endgültigen Ausgestaltung zu einer die gesamten Renteneinnahmen umfassenden Besteuerung führt, grundsätzlich eine den Gleichheitssatz nicht verletzende Regelung geschaffen hat. Die unterschiedslose Besteuerung der Alterseinkünfte von vormaligen Arbeitnehmern und vormals selbständig Tätigen nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG führt nicht zu einer Ungleichbehandlung dieser beiden Personengruppen, weil die Rentenanwartschaften beider in der aktiven Phase unter vergleichbaren Bedingungen aus nicht versteuertem Einkommen gebildet werden können. Dadurch unterscheiden sich beide gleichermaßen von den Renten aus privaten Renten- oder Lebensversicherungen, die – aufgrund ihrer „vorgelagerten“ Besteuerung in der Aufbauphase – in der Auszahlungsphase nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb EStG nur mit einem Ertragsanteil der Besteuerung unterliegen.
Vorliegend bedarf keiner Entscheidung, ob und inwieweit die Begrenzung der steuerlichen Abzugsmöglichkeiten für Altersvorsorgeaufwendungen auf einen Höchstbetrag von 20.000 € beziehungsweise 40.000 € bei zusammenveranlagten Ehegatten den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht wird, weil hier nur die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Renteneinkünften zu beurteilen ist, die auf Beitragsleistungen in der Zeit vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes beruhen.
b) Auch die Übergangsregelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 3 EStG verletzt die Beschwerdeführer nicht in ihrem Gleichheitsrecht. Diese sieht vor, dass auch Leibrenten und andere Leistungen aus der Basisversorgung, die vor dem oder im Jahr 2005 begonnen haben, mit einem einheitlichen Besteuerungsanteil in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage eingehen, obwohl in der Aufbauphase die korrespondierenden Altersvorsorgeaufwendungen je nach der Art der ausgeübten Erwerbstätigkeit in unterschiedlichem Maße steuerlich entlastet wurden.
aa) Im Verhältnis zwischen vormaligen Arbeitnehmern und Selbständigen ist diese Gleichbehandlung in der Auszahlungsphase verfassungsrechtlich hinzunehmen. Auch wenn die Strukturunterschiede zwischen den einzelnen Altersvorsorgeeinrichtungen nicht jede einkommensteuerliche Ungleichbehandlung von Altersvorsorgeaufwendungen ehemals selbständig und ehemals nichtselbständig Versicherter bei gleicher Besteuerung der Alterseinkünfte rechtfertigen, bewegt sich die Übergangsregelung noch innerhalb des weiten Gestaltungsspielraums, der dem Gesetzgeber bei der angestrebten umfassenden Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen zukommt. Der Gesetzgeber durfte für die Übergangszeit die Notwendigkeit einfacher, praktikabler und gesamtwirtschaftlich tragfähiger Lösungen in eine Abwägung mit den Erfordernissen einer folgerichtigen Ausrichtung der Einkommensbesteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen einstellen. Die Festlegung individueller Besteuerungsanteile für jeden einzelnen Steuerpflichtigen in Abhängigkeit vom Umfang oder der Dauer seiner früheren Tätigkeit hätte zur Folge gehabt, dass die frühere steuerliche Behandlung der eingezahlten Beiträge eines jeden Steuerpflichtigen hätte ermittelt werden müssen.
Im Verhältnis zwischen vormals Pflichtversicherten und Beamten, die zusätzlich zu ihrer Beamtenversorgung freiwillig Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet haben, gilt im Ergebnis nichts anderes. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung in der Aufbauphase war vor allem dadurch gekennzeichnet, dass einerseits zwar die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für Arbeitnehmer teilweise, jedoch nicht vollständig steuerbefreit waren oder als Sonderausgaben steuermindernd geltend gemacht werden konnten, dass aber andererseits die nicht für ihre Altersvorsorge beitragsbelasteten Beamten in weitergehendem Umfang als die Pflichtversicherten sonstige Vorsorgeaufwendungen und damit auch freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage abziehen konnten. Vor diesem Hintergrund durfte der Gesetzgeber – ebenso wie bei Selbständigen – dem Gesichtspunkt der einfachen und praktikablen Handhabbarkeit der Übergangsregelung eine maßgebliche Bedeutung zumessen.
bb) Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung entsteht auch nicht deshalb, weil bestimmte Renten aus privaten Leibrentenversicherungen im Gegensatz zu auf freiwilligen Beiträgen beruhenden Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung übergangsweise weiterhin nur einer Ertragsanteilsbesteuerung unterworfen bleiben, obwohl die Vorsorgeaufwendungen dafür in der Ansparphase steuerlich begünstigt waren oder noch sind. Die Übergangsregelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 3 EStG dient dazu, einen schrittweisen Übergang vom bisherigen Recht in das neue steuerliche System der nachgelagerten Besteuerung zu bewerkstelligen. Vor diesem Hintergrund war es folgerichtig, Leistungen aus solchen Leibrentenversicherungen nicht in das neue System zu überführen, die nach neuem Recht – abgesehen von einer Übergangsphase – nicht durch einen Sonderausgabenabzug steuerlich begünstigt sind und daher auch nicht einer nachgelagerten Besteuerung unterworfen werden können. Das unterscheidet sie von auf freiwilligen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung beruhenden Leibrenten, die auch nach neuem Recht als Sonderausgaben steuerlich geltend gemacht werden können.
c) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt auch nicht, die auf freiwilligen Beiträgen an die Ärzteversorgung beruhende Rente des Beschwerdeführers im Verfahren 2 BvR 1961/10 – wie von ihm geltend gemacht – nach der Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb Satz 2 EStG zu besteuern. Die Öffnungsklausel soll der Gefahr einer Doppelbesteuerung begegnen in Fällen, in denen vor Inkrafttreten der Neuregelung für einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren Beiträge oberhalb des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet worden sind. Wegen der bereits genannten steuerlichen Abzugsmöglichkeiten besteht eine vergleichbare Gefahr bei einer auf freiwilligen Beiträgen eines Beamten zur berufsständischen Versorgung beruhenden zusätzlichen Rente nicht.
2. In den vorliegenden Fällen liegt keine verfassungswidrige Doppelbesteuerung vor.
a) Die Summe der Renteneinkünfte, die die Beschwerdeführer der Verfahren 2 BvR 2683/11 und 2 BvR 1961/10 jeweils bereits steuerfrei bezogen haben, übersteigt die Summe der von ihnen geleisteten Beiträge. Auch der Beschwerdeführer des Verfahrens 2 BvR 1066/10 wird nach den Feststellungen der Fachgerichte – unter Zugrundelegung einer statistischen Lebenserwartung von 20 Jahren ab Renteneintritt – steuerfreie Rentenleistungen in einer Höhe erhalten, die die Summe seiner geleisteten Rentenversicherungsbeiträge um die Hälfte übersteigt.
b) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer begegnet die Anwendung des Nominalwertprinzips bei der Gegenüberstellung der Beitragszahlungen mit dem nicht steuerbaren Rentenzufluss keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits wiederholt entschieden, dass es aus Gründen der Klarheit und Handhabbarkeit des Rechts wie auch aus währungspolitischen Gründen nicht zu beanstanden ist, dass das Einkommensteuerrecht vom Nominalwertprinzip ausgeht, das ein tragendes Ordnungsprinzip der geltenden Währungsordnung und Wirtschaftspolitik darstellt.
3. Die Anhebung des Besteuerungsanteils von der früheren Ertragsanteilsbesteuerung auf 50 % sämtlicher Rückflüsse in der Auszahlungsphase verletzt nicht die rechtsstaatlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbots.
Das Alterseinkünftegesetz regelt weder die Besteuerung der vor dem 1. Januar 2005 ausgezahlten Renten rückwirkend neu noch verändert es die steuerliche Behandlung bereits vor seinem Inkrafttreten getätigter Altersvorsorgeaufwendungen. Es erfasst aber Tatbestände, die bereits vor Verkündung in Gang gesetzt worden sind, und wirkt auf diese für die Zukunft ein. Daher handelt es sich um eine unechte Rückwirkung. Die sofortige Anhebung des Besteuerungsanteils auf 50 % war zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich. Sie wahrt auch die Grenze der Zumutbarkeit.
Es ist schon fraglich, ob der rückwirkenden Änderung der Rentenbesteuerung überhaupt ein schutzwürdiges Vertrauen der Beschwerdeführer in eine Fortgeltung der früheren Rechtslage entgegensteht. Bereits seit einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 1980 (BVerfGE 54, 11) war für die Beschwerdeführer erkennbar, dass die für sie günstige Ertragsanteilsbesteuerung rechtlich angreifbar war. Die Entscheidung vom 6. März 2002 stellt insoweit eine konsequente Fortführung der Rechtsprechung dar.
Selbst wenn man das Vertrauen der Beschwerdeführer an einer Fortgeltung der Ertragsanteilsbesteuerung als grundsätzlich schutzwürdig erachtet, rechtfertigt der dadurch entstandene Änderungsbedarf die nachträgliche Belastung der Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem höheren Besteuerungsanteil. Gegenüber dem Vertrauen der Beschwerdeführer fällt hier entscheidend ins Gewicht, dass der Gesetzgeber mit der Verabschiedung des Alterseinkünftegesetzes dem verfassungsrechtlichen Auftrag nach einer Neuordnung der Regelungen zur Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften nachgekommen ist. Eine Neuordnung nur für die Zukunft, also eine nachgelagerte Besteuerung erst solcher Renten, die ganz oder überwiegend auf Beitragsleistungen in der Zeit nach Inkrafttreten der Neuregelung beruhen, hätte bedeutet, dass die verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Versorgungsempfängern über einen erheblichen Zeitraum fortgedauert hätte.