OLG Karlsruhe, 13.08.2015 – 9 U 50/14
Behauptet der Versicherungsnehmer, der Agent habe seine Angaben nicht in den Antrag für eine Berufsunfähigkeitsversicherung aufgenommen mit dem (unzutreffenden) Hinweis, der Versicherer werde vor Annahme des Antrags ohnehin Auskünfte zur Krankengeschichte beim behandelnden Arzt einholen, obliegt es dem Versicherer, diese Darstellung zu widerlegen, wenn er eine arglistige Täuschung durch den Versicherungsnehmer geltend macht.
Es gibt bei der Aufnahme von Versicherungsanträgen keinen Erfahrungssatz dahingehend, dass ein unredliches Verhalten des Versicherungsnehmers wahrscheinlicher ist als ein unredliches Verhalten des Versicherungsagenten. Vielmehr sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen, wenn der Versicherer behauptet, der Agent habe sich bei der Aufnahme des Antrags korrekt verhalten.
Fehlen in einem Versicherungsantrag für eine Berufsunfähigkeitsversicherung schwerwiegende Vorerkrankungen, deren Bedeutung bei Antragstellung für den Versicherungsnehmer auf der Hand liegt, spricht dies unter Umständen eher für ein unredliches Verhalten des Agenten als für ein unredliches Verhalten des Versicherungsnehmers. Denn der Agent kennt die generelle Praxis des Versicherers, der bei einem späteren Leistungsantrag die gesamte Krankengeschichte des Versicherungsnehmers – auch für die Zeit vor Vertragsschluss – durch Auskünfte sämtlicher in Betracht kommenden Ärzte überprüfen wird, mit der naheliegenden Konsequenz einer Arglistanfechtung.