Nachzahlungen des Jobcenters können nicht gepfändet werden

Werden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für zurückliegende Zeiträume nachgezahlt, sind bei der Bemessung des pfändungsfreien Betrages gemäß § 850k Abs. 4 ZPO die nachgezahlten Beträge den Leistungszeiträumen zuzurechnen, für die sie gezahlt werden. Das hat der Bundesgerichtshof am 24.01.2018 entschieden.

Das Gericht geht davon aus, dass sich die auf Antrag der Schuldnerin erfolgte Anordnung des Vollstreckungsgerichts im Hinblick auf eine auf dem Pfändungsschutzkonto der Schuldnerin eingegangene Nachzahlung in Höhe von 5.584,16 € einen erhöhten pfändungsfreien Betrag nach § 850k Abs. 4 Satz 1 ZPO festzusetzen, als rechts- und ermessensfehlerfrei darstellt. Durch diese Art der Berechnung des dem Schuldner pfandfrei zu belassenden Betrags wird dem aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG folgenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums Rechnung getragen.

Auch rückwirkend gezahlte Leistungen nach dem SGB II sind also bis zur Pfändungsfreigrenze geschützt.

BGH, VII ZB 21/17, Beschluss vom 24. Januar 2018

Berufsunfähigkeit gehört zum privaten Bereich

Das Landgericht Düsseldorf hat am 20.02.2018 entschieden, dass die Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung und deren Geltendmachung dem privaten Bereich zuzuordnen und deshalb vom Versicherungsschutz einer Rechtsschutzversicherung umfasst sind.

Ein selbstständiger Drucker beantragte bei seinem Rechtsschutzversicherer die Erteilung einer Deckungszusage, um eine Rente aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) einzuklagen. Der Rechtsschutzversicherer verwies darauf, dass die Rechtsverfolgung nicht vom „Kompaktrechtsschutz für Selbstständige“ umfasst sei. Die personenbezogene Vorsorge eines Selbstständigen sei eine Streitigkeit aus dem nicht privaten Bereich und deshalb nicht vom Versicherungsschutz umfasst.

Das hat das Landgericht Düsseldorf anders gesehen. Die Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen unterscheiden zwischen dem Bereich der selbstständigen Tätigkeit des Versicherungsnehmers und seinem privaten Bereich. Maßgeblich für die Zuordnung der Interessenwahrnehmung zum selbstständigen Bereich sei, dass ein innerer, sachlicher Zusammenhang von nicht nur untergeordneter Bedeutung zwischen der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen und der unternehmerischen Tätigkeit bestehe. Hierbei sei es nicht ausreichend, wenn die Interessenwahrnehmung durch die selbstständige geschäftliche Tätigkeit lediglich verursacht oder motiviert sei. Das Landgericht hat die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung daher dem privaten Bereich zugeordnet.

LG Düsseldorf Urteil vom 20.02.2018, Az: 9 O 30/17

Nachweis im Widerspruchsverfahren

Nach § 41 a SGB II sind sogenannte Aufstocker (es betrifft vor allem Freiberufler) nach Ablauf des Bewilligungszeitraums verpflichtet, die vom Jobcenter zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen. Erfolgt dies nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß, darf das Jobcenter feststellen, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand.

Das SG Dresden (S 52 AS 4382/17) hat auf dieser Grundlage ergangene Festsetzungs- und Erstattungsbescheide jetzt aufgehoben.

Nach Auffassung des Sozialgerichts berechtigt auch die Änderung des § 41 a SGB II zum 01.08.2016 das Jobcenter nicht dazu, Leistungsempfänger im Widerspruchsverfahren mit erst jetzt beigebrachten Nachweisen auszuschließen.

Vielmehr müsse das Jobcenter die Ansprüche auch dann vollständig berechnen, wenn die Angaben erst im Widerspruchsverfahren gemacht werden.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit hat das SG Dresden in allen acht Verfahren die Sprungrevision zum BSG zugelassen. Dort ist bereits ein Verfahren unter dem Aktenzeichen B 4 AS 39/17 R anhängig, weil auch das Sozialgericht Berlin (Az: S 179 AS 6737/17) die Rechtsansicht vertrat, die jetzt das SG Dresden bestätigt.

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts bleibt abzuwarten.

Eistänzer sind keine Künstler

Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass für die Mitwirkung professioneller Eistänzer in den TV-Shows „Let´s Dance“ und „Dancing on Ice“ von der Produktionsfirma keine Künstlersozialabgabe entrichtet werden muss. Diese Tänzer sind Sportler und nicht Künstler im Sinne der Künstlersozialversicherung.

Nicht jeder Sportler wird zum Unterhaltungskünstler, wenn er in einem Unterhaltungsformat des sogenannten „Factual Entertainment“ eine eigenständige Leistung erbringt. Entscheidend ist vielmehr, wie die konkrete Tätigkeit der Akteure im Kontext der Fernsehshows zu beurteilen ist (siehe auch das Urteil des BSG vom 01.10.2009 zur TV-Casting-Show „Deutschland sucht den Superstar“).

Die professionellen Tänzer präsentieren in den Shows schwerpunktmäßig Eistanz als Sport. Tanz unterfällt aber nur dann der Künstlersozialversicherung, wenn er als eine Form der darstellenden Kunst ausgeübt wird, nicht aber als professioneller Leistungs- bzw. Breiten- oder Freizeitsport. Die Tätigkeit der Tänzer war vergleichbar mit der von Tanztrainern. Der Unterhaltungswert der Show lag in der Inszenierung der prominenten Showteilnehmer, die sich an der Einhaltung der Regeln des Turniertanz- beziehungsweise Eistanzsports messen lassen mussten.

Pressemitteilung des BSG vom 28.09.2017

Kein Lückenschluss durch Nachzahlung von Rentenbeiträgen

Das LSG Baden-Württemberg hat entschieden, dass lange zurückliegende Beitragslücken nicht nachträglich durch Zahlung freiwilliger Beiträge zur Rentenversicherung geschlossen werden können.

Der Kläger hatte im Verlauf seines Arbeitslebens insgesamt 44 Jahre mit Pflichtbeitragszeiten erreicht. Seit 01.07.2014 können Versicherte mit 45 Beitragsjahren die Altersrente für besonders langjährige Versicherte ab dem Alter von 63 Jahren abschlagsfrei in Anspruch nehmen (sog. „Rente mit 63“). Der Kläger beantragte die Rente mit 63 und die Nachzahlung freiwilliger Beiträge, um die einjährige Beitragslücke zu schließen.

Die Rentenversicherung lehnte die Nachzahlung freiwilliger Beiträge wegen Versäumung der Zahlungsfrist ab. Ein Härtefall könne nicht anerkannt werden. Altersrente könne es zum vom Kläger gewünschten Zeitpunkt deshalb nur mit Abschlägen geben. Das Sozialgericht Stuttgart hatte der Klage wegen des Vorliegens einer besonderen Härte stattgegeben. Die Härte liege bereits in der tatsache, dass die Rente mit 63 für den Kläger mit Abschlägen behaftet wäre.

Das LSG Baden-Württemberg hat das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und der Rentenversicherung Recht gegeben. Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, nach so langer Zeit noch freiwillige Beiträge nachzuzahlen, um die Lücke zu schließen. Nach Fristablauf könnten Beiträge nur in besonderen Härtefällen nachentrichtet werden. Die gesetzliche Härtefallregelung sei aber nicht dazu da, sämtliche Nachteile auszugleichen, die mit der Versäumung der genannten Fristen einhergingen, sondern greife nur in bestimmten Konstellationen, insbesondere bei Verlust einer Rentenanwartschaft. Um Abschläge zu vermeiden hätte der Kläger auch z.B. zwölf Monate länger arbeiten können und mit 64 Jahren in die dann immer noch vorgezogene abschlagsfreie Rente gehen können. Er hätte auch bereits 2007 freiwillige Beiträge entrichten können, um die Lücke zu schließen. Dies habe er bewusst nicht getan, weil er damals davon ausgegangen sei, dass mit dieser Beitragslücke für ihn keine Nachteile verbunden seien. Mit der Nachzahlung von Beiträgen habe man aber nicht warten können, bis irgendwann in der Zukunft Änderungen eintreten und die Nachzahlung auf die Zeit verschieben, in der die Nachteile einer Betragslücke sichtbar werden oder schon eingetreten seien.

Quelle: Pressemitteilung des LSG Stuttgart v. 08.01.2018

LSG Stuttgart – L 10 R 2182/16

Arbeitsweg durchs Fenster unfallversichert

Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) kann auch ein Sturz aus dem eigenen Fenster ein Arbeitsunfall sein.

Weil die Wohnungstür verschlossen war, stieg ein abhängig beschäftigter Lackierer aus dem Fenster und stürzte dabei auf ein Vordach. Nach der Entscheidung des BSG befand sich der Mann trotz allem auf dem unmittelbaren Weg zur Arbeit, da sich auch der Weg durch das Fenster „objektiv eignete, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen“, wenn andere Wege versperrt seien.

Pressemitteilung des BSG

Krankenversicherung für freie Journalisten

Freie Journalisten, die freiwillig in das Versorgungswerk der Presse GmbH eingezahlt haben, müssen aus den daraus gezahlten Renten keine Krankenversicherungsbeiträge entrichten. Das hat das Bundessozialgericht am 10. Oktober 2017 in einem Urteil zum Aktenzeichen B 12 KR 2/16 R entschieden.

Versicherungsleistungen aus dem Versorgungswerk der Presse sind weder Renten für Angehörige bestimmter Berufe noch zur betrieblichen Altersversorgung. Das Versorgungswerk der Presse ist lediglich vermittelnd tätig. Es handelt sich nicht um eine Versorgungseinrichtungen im Sinne des Beitragsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung. Das gilt auch, wenn der gesamte Geschäfts- und Zahlungsverkehr zwischen den Versicherungsgesellschaften und den Versicherungsnehmern übernommen wird, ohne selbst Gläubiger oder Schuldner aus den abgeschlossenen Versicherungsverträgen zu werden.

Das Urteil betrifft aber nur freie Journalisten. Angestellte Redakteure, die auf der Grundlage einer Tarifvereinbarung in die Presseversorgung einzahlen, müssen aus den so erworbenen Renten Krankenkassenbeiträge zahlen.

Pressemitteilung vom 10.10.2017, B 12 KR 2/16 R

Erstattung der Kosten einer Echthaarperücke

Grundsätzlich sollen gesetzlich Versicherte zu Hilfsmitteln, zu denen auch Perücken gehören, mindestens 5 € und maximal 10 € dazuzahlen. Darüber hinausgehende Kosten der Perücke sind von den Krankenkassen zu tragen. Diese übernehmen aber gern nur vollkommen wahllos festgesetzte Pauschalen und weisen häufig nicht auf das mögliche Widerspruchsrecht hin.

Häufig werden Perücken wegen der Behandlung einer Krebserkrankung und dem damit verbundenen Haarverlust vom behandelnden Arzt verordnet. Da der vollständigen Haarlosigkeit des Kopfes eine entstellende Wirkung zukommt, handelt es sich um einen Zustand körperlicher Regelwidrigkeit mit Krankheitswert. Der Anspruch auf Ausstattung mit einer Perücke beruht dann auf dem Tatbestand der Hilfsmittelversorgung zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung. Dies gilt auch für nur vorübergehende Zustände mit potenziell entstellender Wirkung, wie sie z.B. bei der Kahlköpfigkeit von Krebspatienten als Begleiterscheinung einer Chemotherapie auftreten können, nicht nur für Dauerzustände.

Haarlosigkeit hat gerade bei Frauen eine entstellende Wirkung. Sie führt zwar nicht zum Verlust oder zur Störung einer motorischen oder geistigen Funktion. Sie erschwert einer Frau jedoch, oder macht es ihr sogar unmöglich, sich frei und unbefangen unter den Mitmenschen zu bewegen, denn eine kahlköpfige Frau zieht „naturgemäß“ ständig alle Blicke auf sich und wird zum Objekt der Neugier. Dies hat in aller Regel zur Folge, dass sich die Betroffene aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzieht und zu vereinsamen droht. Ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ist beeinträchtigt. Deshalb haben unter Kahlköpfigkeit leidende Frauen regelmäßig einen Anspruch gegen ihre Krankenkasse auf Versorgung mit einer Echthaarperücke. Hier bewilligen Krankenkassen gern nur die Kosten für eine Kunsthaarperücke, obwohl ein expliziter Anspruch auf eine Perücke mit Echthaar besteht.

Weichen die von der Krankenkasse bewilligten Zuzahlungen von den vom Friseur bzw. Perückenanbieter in Rechnung gestellten Kosten ab, lohnt sich eine rechtliche Überprüfung. Es besteht durchaus eine Chance, weitere Kosten erstattet zu erhalten.

Kostet das Reisen das Kindergeld?

Ich habe gerade das Abi geschafft und möchte jetzt ein Jahr als Angestellter, Minijobber oder auf selbstständiger Basis arbeiten und reisen. Hat meine Planung Folgen für das Kindergeld meiner Eltern – und wenn, ab wann und bis wann?

Kindergeld erhalten Ihre Eltern, solange Sie unter 18 Jahre alt sind und im Haushalt Ihrer Eltern leben. Voraussetzung für den Bezug ist also zunächst, dass Sie auch während Ihrer Reisen, Ihren gewöhnlichen Wohnsitz bei den Eltern nicht aufgeben.

Volljährige Kinder erhalten Kindergeld, wenn sie sich im Studium oder in einer Ausbildung befinden. Nach der Beendigung der Schule und vor Beginn des Studiums zahlt die Familienkasse für eine Übergangszeit bis zu vier Monaten das Kindergeld weiter, wenn absehbar ist, dass Sie ein Studium beginnen oder eine Lehre absolvieren werden. Es ist also sinnvoll, sich schon mal auf ein Studium zu bewerben.

Fallen bis zum Beginn des angestrebten Studiums längere Wartezeiten als 4 Monate an oder wird man zunächst von einer Universität abgelehnt, muss der Familienkasse nachgewiesen werden, dass die Verzögerung auf den Mangel an Studienplätzen zurückzuführen ist. Ist die Verzögerung auf die zwischenzeitlich ausgeübte Tätigkeit oder die Reisen zurückzuführen, führt dies zum Verlust des Kindergeldanspruchs.

Um den Kindergeldanspruch bis zum Studienbeginn auch über die 4 Monate hinaus zu sichern, besteht schließlich die Möglichkeit, sich bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitslos bzw. ausbildungssuchend zu melden. Das ist natürlich nur möglich, wenn man der Arbeits- bzw. Ausbildungsvermittlung zur Verfügung steht, also nicht auf Reisen ist oder in Vollzeit eine Tätigkeit ausübt. Eine kurzfristige Tätigkeit steht der Meldung nicht entgegen.

Innerhalb der ersten vier Monate nach dem Schulabschluss steht die Erwerbstätigkeit selbst dem Anspruch auf Kindergeld nicht entgegen. Aber selbst nach dem Abschluss einer ersten Berufsausbildung oder eines ersten Studiums schadet eine geringfügige Tätigkeit oder eine Erwerbstätigkeit mit nur bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitstätigkeit dem Anspruch auf Kindergeld nicht.

Tagesspiegel – Rechtsfrage an Denise Paetow, Fachanwältin für Sozialrecht, Oktober 2017

Anrechnung von Erwerbseinkommen von Rentnern in gemischter Bedarfsgemeinschaft

In einer gemischten Bedarfsgemeinschaft aus einem erwerbsunfähigen Rentner und einem Leistungsempfänger nach SGB II wird neben der Rente (und z.B. Wohngeld) auch das Erwerbseinkommen des Rentners bei der Berechnung der Leistungen des Leistungsempfängers nach SGB II angerechnet. Für das Erwerbseinkommen des Rentners, gelten – weil er nicht erwerbsfähig ist – nicht die Freibeträge nach SGB II.

Dadurch kommt es zu einer Benachteiligung der Bedarfsgemeinschaft gegenüber Bedarfsgemeinschaften aus Leistungsempfängern nach SGB II, bei denen einer erwerbstätig ist. Diese soll nach § 82 Absatz 3 Satz 1 SGB XII ausgeglichen werden. Danach wird bei der Anrechnung des Erwerbseinkommens ein Freibetrag in Höhe von 30 Prozent des Einkommens – höchstens jedoch 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 (204,50 € im Jahr 2017) – eingeräumt. Bei einem monatlichen Einkommen von 400,00 € wäre somit ein Freibetrag von 120,00 € zu berücksichtigen.

Erzielt der Rentner für eine Ehrenamtliche Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung, ist diese mit einem Betrag bis zur Hälfte der Eck-Regelleistung anrechnungsfrei. Nicht berücksichtigt werden im Übrigen auch steuerfreie Einnahmen aus einer nebenberuflichen Tätigkeit als Übungsleiter, Betreuer oder Lehrer, die sogenannte Übungsleiterpauschale nach § 3 Nr. 26a EStG bis zu 2.400 € im Jahr oder 200 € im Monat.

Krankenversicherungsbeiträge aus Renten

Ich habe zwei Verträge, mit denen ich auf eine Betriebsrente gespart habe. Einen – bei einem Versorgungswerk – habe ich komplett allein bespart, den anderen habe ich per Entgeltumwandlung über den Arbeitgeber bei einer Pensionskasse gemacht. Nun lese ich, dass ich 14,6 Prozent Krankenversicherung auf die Auszahlungen leisten soll. Gilt das auch für den Vertrag, in den ich komplett eingezahlt habe? Und sind es bei dem anderen Vertrag wirklich 14,6 Prozent oder muss ich nur die Hälfte zahlen, wie das beim Gehalt ja auch ist?

Sie haben sich für eine Rentenversorgung durch Zahlungen zu einem Versorgungswerk und in eine Pensionskasse entschieden. Leistungen zur gesetzlichen Rentenversicherung haben Sie nicht geleistet. Dadurch scheidet mit Eintritt des Rentenalters die Möglichkeit aus, in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) pflichtversichert zu werden. Das gilt selbst dann, wenn sie immer gesetzlich krankenversichert waren und unter der Beitragsbemessungsgrenze verdient haben. Sie hatten allein aufgrund der Art Ihrer beruflichen Tätigkeit, die Möglichkeit, sich von der gesetzlichen Rentenversicherung befreien zu lassen. Damit scheidet aber auch eine hälftige Zuzahlung zu den Beiträgen der Krankenversicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung aus.

Sie sind, obwohl Sie womöglich während Ihrer gesamten beruflichen Tätigkeit als Angestellter mit einem Verdienst unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze versicherungspflichtig waren, in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Eintritt der Regelaltersgrenze nur noch freiwillig nicht mehr pflichtversichert.

Für freiwillige Mitglieder soll die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen. Krankenversicherungsbeiträge werden also aus Renten des Versorgungswerkes, arbeitgeberseitig geförderte Betriebsrenten, aber auch aus weiteren Einnahmen, wie z.B. Kapitalerträgen oder aus Vermietung und Verpachtung bis zur Beitragsbemessungsgrenze errechnet.

Im Hinblick auf die Rente aus dem Versorgungswerk gilt dies, obwohl Sie die Rentenbeiträge komplett alleine eingezahlt haben. Das wurde bereits höchstrichterlich entschieden. Etwas anderes kann nur für eine zusätzliche private Kapitallebens – oder Rentenversicherung gelten. Hier unterscheidet die Rechtsprechung danach, ob eine Betriebsrente durch Gehaltsumwandlung durch den Arbeitgeber eingezahlt wurde oder ob Sie die Beiträge vollständig selbst entrichtet haben. Nur im letzteren Fall geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die allein angesparten Rententeile nicht der Beitragspflicht in der Krankenversicherung unterliegen.

Ob dies auch für Leistungen aus Pensionskassen zutrifft, muss noch entschieden werden. Eine Verfassungsbeschwerde ist anhängig und soll im Frühjahr 2018 entschieden werden(1 BvR 249/15). Es empfiehlt sich, gegen die Beitragsbescheide der Krankenkasse fristwahrend Widerspruch einzulegen und anzuregen, das Verfahren bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ruhen zu lassen.

Tagesspiegel – Rechtsfrage an Denise Paetow, Fachanwältin für Sozialrecht, September 2017

Eile ist geboten – Bundesverfassungsgericht zu Unterkunftskosten

In einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht muss geprüft werden, ob die notwendige Eilbedürftigkeit für eine vorläufige Leistungsgewährung vorliegt.

Sind die Kosten für Unterkunft und Heizung streitig stellten sich die Sozial- und Landessozialgericht auf den Standpunkt, Eilbedürftigkeit sei erst gegeben, wenn eine Kündigung der Wohnung erfolgt sei und bereits Räumungsklage erhoben wurde. Das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden, dass diese pauschale Annahme rechtswidrig ist.

Gerichte sind gehalten, vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn den Antragstellenden sonst eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in ihren Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann. Dazu gehört es, den Wohnraum in einem bestehenden sozialen Umfeld nach Möglichkeit zu erhalten. Daher ist bei der Prüfung, ob ein Anordnungsgrund für den Eilrechtsschutz vorliegt, im Rahmen der wertenden Betrachtung zu berücksichtigen, welche negativen Folgen finanzieller, sozialer, gesundheitlicher oder sonstiger Art ein Verlust gerade der konkreten Wohnung für die Betroffenen hätte. Diesen Anforderungen wird das Landessozialgericht vorliegend nicht gerecht. Es stellt allein und schematisch auf die Erhebung der Räumungsklage ab und legt seiner Entscheidung damit ein der gesetzgeberischen Zwecksetzung nicht entsprechendes, zu enges Verständnis des wesentlichen Nachteils zugrunde.

BVerfG, Beschluss vom 01. August 2017 – 1 BvR 1910/12

Sozialversicherungspflicht eines Facharztes für Anästhesie im Krankenhaus

Ein im OP-Bereich eines Krankenhauses regelmäßig tätiger Anästhesist geht einer abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach, auch wenn er für verschiedene Kliniken tätig ist.

Es besteht Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Das entschied die Deutsche Rentenversicherung nach einem Statusfeststellungsantrag einer der Kliniken. Das Hessische Landessozialgericht in Darmstadt bestätigte diese Entscheidung in seinem Urteil vom 10.08.2017, L 1 KR 394/15.

Gründe für die Entscheidung waren folgende Tatsachen: Die Vergütung des Arztes erfolgte auf Stundenbasis. Er nutzte die die Arbeitsgeräte der Klinik. Er war in die Krankenhausorganisation eingebunden und damit Teil des Teams aus Pflegekräften und Ärzten. Ein Unternehmerrisiko war nicht ersichtlich.

Das LSG Hessen hatte bereits zuvor entschieden, dass eine OP-Krankenschwester (L 8 KR 84/13) und Pflegefachkraft in einem Pflegeheim (L 1 KR 551/16) regelmäßig abhängig beschäftigt sind.

Das Gericht befindet sich mit seinen Entscheidungen in guter Gesellschaft. Auch das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen urteilte, dass Honorarärzte, die in den Stationsalltag einer Klinik eingebunden sind, einen festen Stundenlohn erhalten, nicht am Gewinn- und Verlust der Klinik beteiligt sind und kein eigenes Kapital oder Betriebsmittel einsetzen, abhängig beschäftigt sind.

Dass das Direktionsrecht des Arbeitgebers laut Honorararztvertrag eingeschränkt ist, ist aber bei Diensten höherer Art üblich und kein Argument für eine Freiberuflichkeit (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16.12.2015, L 2 R 516/14)

Pflegegeld oder Pflege als Sachleistung

Meine pflegebedürftige Bekannte braucht bei – anerkanntem – Pflegegrad 5 eine Versorgung zu Hause 8-10-mal täglich, nachts gelegentlich. Also haben wir eine Ganztagspflege besorgt, die 24 Stunden präsent ist (der Partner kann die Versorgung nicht übernehmen). Dafür erhalten wir 901,00 € pro Monat. Würde die Pflegebedürftige 3-mal täglich von Pflegestation versorgt, würde diese 1.995,00 € erhalten. Kann ein selbst organisierter Pfleger so viel billiger arbeiten? Es gibt ja keine Gerechtigkeit – aber so eklatant definiert? Oder: Kann man solche Situation gerichtlich klären lassen?

Mit dem Jahr 2017 wurde die Pflegeversicherung reformiert. Insbesondere wurden die bisherigen Pflegestufen in Pflegegrade umgewandelt und die Leistungen deutlicher differenziert, aber auch erhöht. Ihre Bekannte ist mit dem Pflegegrad 5 schwerst pflegebedürftig.

Besteht ein Pflegegrad können Sie wählen, ob Sie Pflegegeld in Anspruch nehmen oder eine sogenannte Pflegesachleistung.

Ihre Bekannten haben sich für das monatliche Pflegegeld in Höhe von 901,00 € entschieden und müssen sich deshalb jetzt selber um die Pflege kümmern. Sie können von dem Geld Artikel für die Pflege oder einen Aufwendungsersatz für eine Pflegeperson finanzieren. Dabei geht das Gesetz ausdrücklich davon aus, dass die Pflegekraft nicht durch das Pflegegeld vergütet werden soll, sondern lediglich eine Anerkennung für die Pflege erhält.

Die Pflegesachleistung dagegen stellt kein Geld zur Verfügung. Sie sichert die notwendige Pflege durch einen professionellen Pflegedienst vollständig ab. Auch von den 1.995 €, die die Pflegesachleistungen wert sind, könnten Ihre Bekannten wohl keine 24-Stunden-Kraft einstellen. Eine solche Eins-zu-eins-Betreuung ist durch die Pflegeversicherung schlichtweg nicht vorgesehen. Ist eine 24-Stunden-Betreuung notwendig, wird diese nur stationär, also in einem Pflegeheim erfolgen können, wenn ausschließlich Mittel aus der Pflegeversicherung zur Verfügung stehen.

Nach Ihren Schilderungen ist eine 24 Stunden Betreuung Ihrer Bekannten gegebenenfalls nicht unbedingt notwendig. Es genügt, wenn zu den pflegerelevanten Zeitpunkten jemand vor Ort ist. Wenn dies auch nachts der Fall ist, können Ihre Bekannten auch eine kombinierte Pflege wählen, d.h. sie nutzen teilweise die Pflegesachleistungen durch einen professionellen Pflegedienst und lassen sich für eine Bereitschaft durch den Ehemann oder andere Personen anteilig Pflegegeld auszahlen. Zusätzlich steht Ihren Bekannten zudem noch der sogenannte Entlassungsbetrag von 125,00 € im Monat zu Verfügung. Mit diesem können zur Entlastung pflegender Angehörige ebenfalls professionelle Dienste eingekauft werden.

Grundsätzlich ist es sehr begrüßenswert, wenn Ihre Bekannte zu Hause gepflegt wird. Sie sollte sich mit der Pflegekasse in Verbindung setzen, um eine optimale Verteilung von Pflegegeld und Pflegesachleistungen zu erreichen, wenn die Pflege durch Angehörige nicht allein bewerkstelligt werden kann. Die Einstellung einer 24-Stunden-Pflegekraft für das Pflegegeld ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen und dürfte tatsächlich gegen das Mindestlohngesetz verstoßen. Die von Ihren Bekannten aktuell gewählte Lösung dürfte daher rechtswidrig sein.

Tagesspiegel, Rechtsfrage an Denise Paetow, Fachanwältin für Sozialrecht, Juli 2017

Krankenversicherungsbeiträge aus Honorartätigkeit des Rentners

Ich beziehe seit dem 01.06.2014 Rente, arbeite aber mit verschiedenen Honorarverträgen weiterhin. Nun habe ich erfahren, dass ich auf meinen Gewinn außer Steuern zusätzlich Krankenversicherungsbeiträge zahlen muss. Z.B. hatte ich 2014 zwischen Juni und Dezember Einkommen in Höhe von 2.000,00 €. Muss ich diese der Krankenkasse melden? Ich weiß weder das Verfahren noch, wie viel davon als Krankenkassenbeitrag zu zahlen ist. Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

Leider ist es so, dass Rentner auf jegliches Arbeitseinkommen, dass sie neben der Rente erzielen, ob aus einer abhängigen oder einer selbständigen Arbeit, Krankenversicherungsbeiträge bezahlen müssen. Eine Ausnahme gilt nur für geringfügige und kurzfristige Tätigkeiten (sog. Minijobs).

Ich verstehe Ihre Frage so, dass Sie als Rentnerin in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert und nebenbei selbständig sind. Dann gilt für Sie § 237 SGB V, wonach neben der Rente und vergleichbaren Einkommen grundsätzlich auch das Arbeitseinkommen zur Beitragsbemessung herangezogen wird.

Nach § 226 Abs. 2 SGB V sind Beiträge allerdings nur zu entrichten, wenn die monatlichen Einnahmen 1/20 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV überschreiten. Diese Grenze beträgt im Jahr 2017 in den alten Bundesländern monatlich 2.975 € und in den neuen Bundesländern und Ost-Berlin 2.660 €. Sie könnten also monatlich 148,75 € bzw. 133,00 € verdienen, ohne das Beiträge zu entrichten währen.

Wenn Sie aber regelmäßig in der Größenordnung wie im Jahr 2014 verdienen, müssen Sie Ihrer Krankenversicherung die Höhe des Arbeitseinkommens mitteilen. In der Regel erfolgt das durch den Einkommenssteuerbescheid des Vorjahres, auf dessen Grundlage dann die Beiträge errechnet werden.

Beitragspflicht besteht nicht nur für den die Mindestgrenze übersteigenden Betrag, sondern für die gesamten Einnahmen. Pflichtversicherte Altersrentner, die eine Vollrente erhalten, zahlen auf das Erwerbseinkommen den ermäßigten Beitragssatz (2017: 14 %), da ein Anspruch auf Krankengeld nicht mehr versicherbar ist. Da jedoch nicht wie beim Rentenzahlbetrag durch die Deutsche Rentenversicherung oder vom Arbeitgeber ein hälftiger Beitrag übernommen wird, hat der Rentner die Beiträge allein zu tragen. Das Arbeitseinkommen ist nach der erstmaligen Meldung dann jährlich der Krankenkasse zu melden.

Tagesspiegel, Rechtsfrage an Denise Paetow, Fachanwältin für Sozialrecht, Mai 2017

Krankenkassenbeiträge

Von 2011 bis 2014 war ich bei meinem Mann in der Krankenversicherung familienversichert. Seit August 2014 beziehe ich eine private Rente über 441,30 Euro. Diese private Rente liegt ca. 20,00 Euro über dem Grenzwert von 425,00 Euro deshalb wurde mir die Familienversicherung gekündigt. Weiterhin darf das Jahreshöchsteinkommen, bei dem die Familienversicherung noch greifen würde, bei 5.901 Euro liegen. Mein Jahreshöchsteinkommen beträgt lediglich 5.300 Euro, da ich nur geringe Rücklagen habe. Diese Summe wurde bei der AOK überhaupt nicht erwähnt. Ich empfinde es als ungerecht, dass ich ein Drittel meiner selbst finanzierten Privatrente nun an die AOK als freiwillige Krankenversicherung zahlen muss.

Die kostenfreie Familienversicherung setzt voraus, dass das Gesamteinkommen bestimmte Beträge nicht übersteigt. Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben am 24.10.2008 ein gemeinsames Rundschreiben „Gesamteinkommen“ verfasst, das sich mit diesem Begriff auseinandersetzt. Hier wird nach verschiedenen Einkunftsarten unterschieden.

Grundsätzlich ist die Familienversicherung für Ehegatten nur möglich, wenn die monatliche Einkommensgrenze 1/7 der monatlichen Bezugsgröße nicht überschreitet. Das bedeutet, dass Sie im Jahr 2017 ein monatliches Einkommen von 425 € (1/7 von 2.975 €) erzielen dürfen. Nur wenn die Einkünfte aus einen sogenannten Minijob erzielt werden, dürfen sie monatlich 450,00 € betragen.

Sie erzielen Ihre Einkünfte aus einer privaten Rente. Ausweislich des Rundschreibens „Gesamteinkommen“ zählen zu den Renten Leistungen, die aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen und aus privaten Rentenversicherungen erbracht werden. Sie werden nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Halbsatz 2 SGB V mit ihrem Zahlbetrag berücksichtigt. Lediglich Abfindungen aus Lebensversicherungsverträgen gehören in der Regel noch nicht zu den Einkünften im Sinne des EStG, so dass sie nicht beim Gesamteinkommen zu berücksichtigen sind. Ihre Rente ist also als Einkommen anzurechnen und übersteigt den Freibetrag von 425,00 €.

Der von Ihnen angesprochene Jahreshöchstwert errechnet sich aus der monatlichen Einkommensgrenze von 425,00 € zuzüglich des sogenannten Sparer-Freibetrags. Der wird aber nur berücksichtigt, wenn Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt werden. Alleinstehende können dann einen Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 801,00 EUR, Verheiratete in Höhe von 1.602,00 EUR einkommensmindernd in Abzug bringen.

Ihre Rente ist leider keine Einkunft aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG, so dass Ihr Einkommen über der für die Familienversicherung maßgeblich Grenze ist.

Gegebenenfalls ändert sich an diesem Status etwas, wenn Sie in die gesetzliche Altersrente gehen und dabei pflichtversichert in der Krankenversicherung der Rentner würden. Diese wird einkommensabhängig berechnet. Privatrenten werden zur Berechnung der Beiträge nicht mehr berücksichtigt.

Tagesspiegel, Rechtsfrage an Denise Paetow, Fachanwältin für Sozialrecht, April 2017

Zuzahlungsbefreiung

Meine Mutter ist im Januar verstorben. Sie war gesetzlich versichert. Sie hatte im vor hinein 2016 den Eigenanteil für die Rezeptbeteiligung für das Jahr 2017 bezahlt. Ist es rechtens, dass die Krankenkasse diesen Anteil behält, obwohl meine Mutter nur den Januar noch erlebt hat?

Die sogenannte Zuzahlungsbefreiung tritt ein, wenn mehr als 2 % der jährlichen Bruttoeinnahmen (1 % bei chronisch Kranken) für Zuzahlungen zu Medikamenten oder Krankenhausaufenthalten o.ä. aufgewendet werden müssen.

Die Krankenkassen handhaben die Befreiung auf unterschiedliche Art, oft steht dies auch zur Wahl. So kann man zunächst sämtliche Zuzahlungen leisten und am Ende eines Jahres unter Berücksichtigung der tatsächlichen Bruttoeinnahmen die Belastungsgrenze errechnen und gegebenenfalls geleistete Zuzahlungen erstattet bekommen.

Steht fest, wie hoch die Bruttoeinnahmen sind und geht man davon aus, dass man die Belastungsgrenze aufgrund eines hohen Medikamentenbedarfs jedenfalls überschreitet, kann man – wie Ihre Mutter es getan hat – die maximale Zuzahlung bereits vorab an die Krankenkasse zahlen. Man erhält dann einen Ausweis, der die Zuzahlungsbefreiung im laufenden Jahr bestätigt. Zuzahlungen müssen nicht mehr geleistet werden.

Wird die Belastungsgrenze jedoch nicht erreicht, besteht ein Rückzahlungsanspruch gegen die Krankenkasse, da Zuzahlungen geleistet wurden, ohne eine Gegenleistung erhalten zu haben.

Im Falle Ihrer Mutter hat die Krankenkasse zu berechnen, wie hoch die individuelle Belastungsgrenze Ihrer Mutter im Jahr 2017 war und wie viele zuzahlungspflichtige Leistungen (Medikamente, Krankenhausaufenthalte) Ihre Mutter bis zu ihrem Tod bereits erhalten hat. Stellt sich heraus, dass geringere Zuzahlungen zu leisten gewesen wären als vorausgezahlt, muss die Krankenkasse den Betrag an die Erben erstatten.


Tagesspiegel, Rechtsfrage an Denise Paetow, Fachanwältin für Sozialrecht, März 2017

Krankenversicherung – Beitragsberechnung aus Direktversicherungen

Seit 2006 hatte ich auf Vorschlag meines Arbeitgebers (öffentlicher Dienst) einer Entgeltumwandlung zur Altersversorgung zugestimmt. Mit und ohne Entgeltumwandlung lag ich jeweils über der Bemessungsgrenze für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung, so dass diesen Versicherungsträgern keine Beiträge durch die Entgeltumwandlung verloren gegangen sind. Jetzt ist die Summe fällig geworden.
Ist es korrekt, dass ich darauf nun trotzdem Beiträge an die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung entrichten muss?

Nach § 237 ff SGB V werden der Beitragsbemessung neben dem Zahlbetrag der Rente u.a. der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (z.B. Versorgungsbezüge) zu Grunde gelegt.

Beitragspflichtig sind seit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, das zum 01.01.2004 in Kraft trat, auch Kapitalleistungen, die der Alters- und Hinterbliebenenversorgung oder der Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit dienen. Dazu zählen auch zur Auszahlung kommenden Kapitalabfindungen, die an die Stelle eines Versorgungsbezugs treten und mit dem vollen allgemeinen Beitragssatz beitragspflichtig sind.

Das Bundesverfassungsgericht erachtete die Einbeziehung der Versorgungsbezüge in die Beitragspflicht wegen des in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Solidaritätsprinzips seit langem für geboten. Der Gesetzgeber hat dieses Gebot 2004 ausdrücklich in die Gesetzesbegründung aufgenommen.

Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes beschäftigten sich das Bundessozialgericht und das Bundesverfassungsgericht mit der Rechtmäßigkeit der Berücksichtigung der Versorgungsbezüge für die Beitragsbemessung, mit dem Heranziehen des vollen allgemeinen Beitragssatzes sowie mit der Berücksichtigung von Direktversicherungen und Pensionszusagen. In den bisher abgeschlossenen Verfahren wurde die Beitragsberechnung wie vom Gesetzgeber gewollt für verfassungsgemäß erachtet. Zuletzt wurde differenzierend darüber entschieden, dass nicht der gesamte Auszahlungsbetrag verbeitragt werden darf, wenn der Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis den Versicherungsvertrag als Versicherungsnehmer übernommen und fortgeführt hat. Offen ist zudem noch eine Verfassungsbeschwerde zur Frage der privaten Fortführung von Pensionsfonds.

Es ist also gesetzlich vorgesehen und verfassungsrechtlich bestätigt, dass Rentner auf sämtliche Renten und rentenähnliche Einkommen Krankenversicherungsbeiträge zahlen. Zu letzteren zählen auch Betriebsrenten. Es kann also leider dahinstehen, dass Sie (und Ihr Arbeitgeber) sich durch das Abführen Ihres Gehalts in die Betriebsrente keine Sozialversicherungsbeiträge erspart haben. Sie müssen jetzt auf die ausgezahlte Rente volle Versicherungsbeiträge zahlen. Die juristischen Möglichkeiten, gegen die Beitragsberechnung vorzugehen, sind ausgeschöpft.

Tagesspiegel, Rechtsfrage an Denise Paetow, Fachanwältin für Sozialrecht, Februar 2017

SGB II und Hundehalterhaftpflicht

Beiträge, die für eine gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung eines Hundes gezahlt werden, können vom Halter nicht vom Einkommen abgesetzt werden, um so höheres ergänzendes steuerfinanziertes Arbeitslosengeld II zu erhalten. Dies hat der 14. Senat des Bundessozialgerichts am 8. Februar 2017 entschieden und damit eine Entscheidung der Vorinstanz bestätigt (B 14 AS 10/16 R).

Geklagt hatte eine Hundehalterin, die ergänzend zu ihrem Einkommen aus Erwerbstätigkeit Arbeitslosengeld II bezogen hatte. Das Bundessozialgericht begründete die fehlende Absetzmöglichkeit der Versicherungsbeiträge mit Sinn und Zweck der einschlägigen gesetzlichen Bestimmung (§ 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch): Danach sollen nur solche Versicherungen, die einen spezifischen Bezug zu den Zielen des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch aufweisen, vom Einkommen abgesetzt werden können, so zum Beispiel die Gebäudebrandversicherung, weil sie dem Wohnen dient, oder die Kfz-Haftpflichtversicherung, weil durch ein Auto die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erleichtert wird. Ein derartiger Bezug zur Existenzsicherung oder zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ist bei der Tierhaltung nicht gegeben, auch wenn ein Hund für viele Menschen von großer Bedeutung ist. Ist ein Hund aus gesundheitlichen Gründen notwendig, werden zum Beispiel von der Krankenkasse die Kosten eines Blindenführhundes übernommen.

Pressemitteilung des Bundessozialgericht

Kameraleute mit fachkundigen Blick und die Künstlersozialabgabe

Das Bundessozialgericht hat in seinem jetzt veröffentlichten Urteil vom 29.11.2016 (B 3 KS 2/15 R) entschieden, dass für die Beschäftigung selbständiger Kameraleute die Künstlersozialabgabe abgeführt werden muss.

Die Klägerin ist ein Unternehmen zur Herstellung von bespielten Bild‑ und Tonträgern (ausschließlich alleiniger Vervielfältigung) nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 KSVG. Damit gehört die Klägerin zu den typischen Kunst‑ und Publizistik vermarktenden oder verwertenden Unternehmen.

Sie zahlte auch Entgelte an selbstständige Künstler oder Publizisten. Die von ihr beauftragten selbstständigen Kameraleute haben einen künstlerischen bzw publizistischen Beitrag zur Erstellung eines Gesamtwerks im Bereich der elektronischen Berichterstattung geleistet. Die von der Klägerin beauftragten selbstständigen Kameraleute waren im Bereich der Berichterstattung (tagesaktuelle Ereignisse, Sportveranstaltungen) tätig. Das Abbilden von Personen oder Vorgängen der Zeitgeschichte mit tagesaktueller Bedeutung, bei dem der Nachrichten‑ und Informationswert im Vordergrund steht, zählt zum Bereich der Publizistik.

Kameraleute sind nach dem Künstlerbericht von 1975 dem Bereich „Bildende Kunst/Design“ und der Gruppe „Foto-Designer/Bildjournalisten“ zuzuordnen, zu denen auch Bildberichterstatter zählen. Es liegen keine substanziellen Erkenntnisse vor, dass sich das Berufsbild von Kameraleuten nach allgemeiner Verkehrsauffassung derart verändert haben könnte, dass Kameraleute nicht mehr künstlerisch, sondern allein technisch/handwerklich tätig sind, selbst unter Berücksichtigung des fortschreitenden Einsatzes audiovisueller Techniken.

Der Senat setzt insoweit seine Rechtsprechung fort, als dass die Tätigkeit von Kameraleuten den „fachkundigen Blick“ erfordert, der dafür sorgt, dass das aufzunehmende Motiv oder das Objekt nach den Vorstellungen der Auftraggeber bestmöglich zur Geltung gebracht wird. Entscheidend ist daher weder, welchen Gestaltungsspielraum der Auftraggeber dem einzelnen Kameramann bzw ‑frau eingeräumt hat, noch die Qualität der Arbeit oder die Qualifikation der Kameraleute. Vielmehr kommt es darauf an, dass Kameraleute in einem Tätigkeitsbereich wirken, der künstlerisch bzw publizistisch geprägt ist. Das war nach den bindenden Feststellungen des LSG der Fall.

Bundessozialgericht, Urteil vom 29.11.2016, B 3 KS 2/15 R

Urlaub mit dem Jobcenter

Ich bin arbeitslos und bekomme Hartz IV. Ich wollte in Urlaub fahren, aber das Jobcenter hat mir für die Zeit Vermittlungsvorschläge geschickt. Muss ich meinen Urlaub abblasen?

Da Sie im Leistungsbezug beim Jobcenter stehen gilt für Sie § 7 Abs. 4a SGB II. Danach erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte keine Leistungen, wenn sie sich ohne Zustimmung außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhalten und deshalb nicht für die Eingliederung in Arbeit zur Verfügung stehen. Die Vorschrift regelt aber auch, dass das Jobcenter verpflichtet ist, die Zustimmung für eine Ortsabwesenheit zu erteilen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und die Eingliederung in Arbeit nicht beeinträchtigt wird. Die Zustimmung zu einer Ortsabwesenheit kann aber auch – für insgesamt bis zu drei Wochen (21 Kalendertage) im Jahr zu Urlaubszwecken – erteilt werden, wenn also kein wichtiger Grund vorliegt. Die Eingliederung in Arbeit darf auch hier nicht gefährdet werden.

Wenn Sie Ihren Urlaub beantragt haben und das Jobcenter Ihrem Antrag auf Ortsabwesenheit schriftlich zugestimmt hat, darf es für diese Zeit keine Vermittlungsvorschläge oder Maßnahmen anordnen. Denn für den Zeitraum eines genehmigten Urlaubs ist der Leistungsempfänger von seinen Mitwirkungspflichten freigestellt.

Wichtig ist, dass Sie den Antrag rechtzeitig stellen. Fristen sind zwar nicht geregelt, der Antrag sollte aber 14 Tage vor dem geplanten Urlaub gestellt werden, damit das Jobcenter reagieren kann. Bei einer Ortsabwesenheit über drei Wochen, entfällt übrigens Ihr Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Sind Sie insgesamt länger als 6 Wochen ortsabwesend, besteht für den gesamten Zeitraum, also auch für die ersten drei Wochen, kein Anspruch. Schließlich müssen Sie sich nach der Rückkehr aus dem Urlaub beim Jobcenter zurückmelden, da sonst – bei ordnungsgemäßer Belehrung – Sanktionen (Leistungskürzung um 10 %) drohen.

Bitte lesen Sie sich unbedingt einmal die Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) durch, die – verteilt auf fünf Paragraphen – sämtliche Anwesenheitspflichten und Abwesenheitsrechte eines Leistungsempfängers zusammenfasst.

Sie können also in Urlaub fahren, wenn Sie sich den Urlaub vorher haben genehmigen lassen. Teilen Sie dem Jobcenter unter Hinweis auf den genehmigten Urlaub mit, dass Sie den Vermittlungsvorschlägen nicht nachkommen können. Haben Sie keine schriftliche Zustimmung, müssen Sie den Urlaub leider abblasen, wenn das Jobcenter den Urlaub nicht doch noch genehmigt, was wegen der anstehenden Arbeitsvermittlungstermine aber nicht recht wahrscheinlich ist.

Tagesspiegel, Rechtsfrage an Denise Paetow, Fachanwältin für Sozialrecht, Februar 2017

Verordnung auf Privatrezept

Dem Kostenerstattungsanspruch des Versicherten steht nicht entgegen, dass das begehrte Arzneimittel auf einem Privatrezept verordnet wurde.

Ist ein Vertragsarzt unsicher, ob die von ihm für erforderlich gehaltene Medikation mit den gesetzlichen Regelungen des Krankenversicherungsrechts in Übereinstimmung steht, kann er dem Versicherten ein Privatrezept ausstellen und es diesem überlassen, sich bei der Krankenkasse um Erstattung der Kosten zu bemühen.

Er kann aber auch zunächst selbst bei der Krankenkasse anfragen und im Ablehnungsfall dem Versicherten ein Privatrezept ausstellen. Ermöglicht der Vertragsarzt nicht auf diese Weise eine Vorabprüfung durch die Krankenkasse, sondern stellt ohne vorherige Rückfrage bei der Krankenkasse eine vertragsärztliche Verordnung (Standardrezept) aus und löst der Versicherte dieses in der Apotheke ein, so sind damit die Arzneikosten angefallen und die Krankenkasse kann nur noch im Regress geltend machen, ihre Leistungspflicht habe nach dem maßgeblichen rechtlichen Vorschriften nicht bestanden.

Die Verordnung von Arzneimitteln für Versicherte unter Verwendung eines Privatrezepts schließt die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht von vornherein aus, sondern stellt vielmehr eine von mehreren Möglichkeiten für den Vertragsarzt dar, bei Unsicherheit über den Leistungsumfang in der gesetzlichen Krankenversicherung die von ihm für erforderlich gehaltene Medikation vorzunehmen und gleichzeitig ein Regressverfahren zu vermeiden (BSG Beschluss vom 31. Mai 2006, Aktenzeichen: B 6 KA 53/05B).

LSG Berlin Brandenburg, Urteil vom 15.02.2012 L 9 KR 292/10

Zur Versicherungspflicht von Honorarärzten

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt eine abhängige Beschäftigung dann vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern.

Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder Selbständigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen. Bei der Abwägung müssen alle nach Lage des Einzelfalles relevanten Indizien berücksichtigt und innerhalb einer Gesamtschau gewichtet und gegeneinander abgewogen werden.

Das führt bei der Prüfung der Tätigkeit von Ärzten, die neben ihrer Tätigkeit in der eigenen Praxis für Krankenhäuser tätig sind zu den unterschiedlichsten Einschätzungen der Gerichte:

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 20.08.2015 (L 4 R 1001/15) festgestellt, dass die ausgeübte Tätigkeit als Arzt im Rahmen der Rufbereitschaft in einem abhängigen und in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis erfolgt. Eine Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung besteht bei hauptberuflicher Tätigkeit als niedergelassener Vertragsarzt daneben aber nicht.

Das LSG Baden-Württemberg macht damit deutlich, dass Krankenhäuser Ärzte nicht „auf Abruf“ selbständig beschäftigen können; Ärzte, die in Krankenhäusern Patienten behandeln, also in der Regel abhängig beschäftigt sind. Hintergrund ist, dass eine weisungsfreie, unternehmerische Tätigkeit in einem Krankenhaus mit strikt abgestimmten Arbeitsabläufen nicht denkbar ist. Etwas anderes soll für Konsiliarärzte, die punktuell Leistungen erbringen oder Honorarärzte, die zur Ausführung einzelner Operationen in die Klinik kommen, gelten. Die Tätigkeit des Belegarztes ist hiervon zu unterscheiden, weil der Belegarzt eigene Patienten und nicht Patienten der Klinik behandelt.

Das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern geht unter Berufung auf die oben genannten Abgrenzungskriterien des Bundessozialgerichtes im Urteil vom 28.04.2015 (L 7 R 60/12) von einer abhängigen Beschäftigung eines Notarztes aus. Für die abhänge Tätigkeit spreche, dass bei Übernahme eines Notarzt- bzw. Bereitschaftsdienstes die unbedingte Verpflichtung bestehe, die Dienstleistung zu erbringen. Der Arzt sei dadurch genauso in die Organisation der Klinik eingegliedert, wie dies bei einem „angestellten“ Arzt im Rahmen seines Bereitschaftsdienstes gewesen sei. Das Unternehmerrisiko des Arztes sei gering, flexible Arbeitszeiten seien auch in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen, vor allem bei Teilzeittätigkeiten anzutreffen. Das Entgelt des Arztes sei, wie auch bei sonst abhängigen Beschäftigten, typisch allein vom zeitlichen Einsatz abhängig, nicht hingegen etwa auch von der Güte bzw. dem Erfolg der verrichteten Dienste. Eigene Betriebsmittel sind nicht vorhanden. Rettungsgeräte, Einsatzfahrzeuge wurden nicht vom Arzt selbst „gestellt“ worden.

Dass das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg stellt dagegen mit Urteil vom 20.03.2015 (L 1 KR 105/13) für die Tätigkeit eines Notarztes im Rettungsdienst fest, dass eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Es hält die Faktoren des fehlenden Unternehmerrisikos, der Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation und das Nutzen fremder Arbeitsmittel für unerheblich. Auch dass der Arzt den Weisungen des Ärztlichen Leiters des Rettungsdienstes unterlag und der Zwang, sich an die Rahmenvorgaben des Krankenhauses zu richten, führte nicht zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung.

Dem schließt sich auch das LSG Baden-Württemberg mit Urteil vom 19.04.2016 (L 11 R 2428/15) an. Dem LSG genügte es für die Feststellung einer selbständigen Tätigkeit, dass der Bereitschaftsarzt dem Krankenhaus mitteilte, ob und wann er Schichten übernehmen wolle und damit keine ständige Dienstbereitschaftspflicht bestand. Durch Sonntagsdienste mit einer grundsätzlichen Dauer von Sonntag 8:30 Uhr bis Montag 8:30 Uhr ergab sich für das LSG noch kein Weisungsrecht des Krankenhauses. Das LSG stellte klar, dass das fehlende Weisungsrecht hinsichtlich der Dienstzeiten im Rahmen der Gesamtbeurteilung von erheblicher Bedeutung war, denn fachlich besteht bei ärztlichen Tätigkeiten aus der Natur der Sache weitgehend Weisungsfreiheit. Auch die Ausführung der Tätigkeit in den Betriebsräumen der Klägerin ergab sich für das LSG aus der Natur der Sache und stellte daher kein valides Abgrenzungskriterium für eine angestellte Tätigkeit dar. Das nur geringe Unternehmerrisiko spricht nach Ansicht des LSG ebenfalls nicht gegen eine Selbständigkeit. Honorarärzte setzen typischerweise im Wesentlichen ihre Arbeitskraft und weniger Kapital ein. Obwohl also das vereinbarte pauschale Stundenhonorar von 23 bzw. 30 EUR gegen ein Unternehmerrisiko spricht, sollte dies weder ein Argument für noch gegen die Selbstständigkeit sein, weil sich diese Art der Vergütung für Bereitschafts- und Notärzte anbietet.

Amtshaftungsansprüche wegen fehlender Kitaplätze

Der Bundesgerichtshof hat am 20.10.2016 entscheiden, dass Eltern im Wege der Amtshaftung Ersatz ihres Verdienstausfallschadens verlangen können, wenn ihren Kindern entgegen § 24 Abs. 2 SGB VIII ab Vollendung des ersten Lebensjahres vom zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe kein Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt wird und sie deshalb keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können.

Die Klägerinnen beabsichtigten nach Ablauf der einjährigen Elternzeit ihre Vollzeit-Berufstätigkeit wieder aufzunehmen. Sie meldeten für ihre Kinder wenige Monate nach der Geburt Bedarf für einen Kinderbetreuungsplatz für die Zeit ab der Vollendung des ersten Lebensjahres an. Zum gewünschten Termin erhielten die Klägerinnen von der Beklagten keinen Betreuungsplatz. Für den Zeitraum zwischen der Vollendung des ersten Lebensjahres ihrer Kinder und der späteren Beschaffung eines Betreuungsplatzes verlangen die Klägerinnen Ersatz des ihnen entstandenen Verdienstausfalls.

Das Landgericht Leipzig hatte den Klagen zunächst stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hatte das Oberlandesgericht Dresden die Klagen abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die beklagte Stadt zwar ihre Amtspflicht verletzt habe; die Erwerbsinteressen der Klägerinnen von dieser Amtspflicht aber nicht geschützt seien. Hiergegen richten sich die Revisionen der Klägerinnen.

Der BGH hat im Einklang mit beiden Vorinstanzen das Vorliegen einer Amtspflichtverletzung der beklagten Stadt bejaht. Eine Amtspflichtverletzung liegt vor, wenn der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe einem gemäß § 24 Abs. 2 SGB VIII anspruchsberechtigten Kind trotz rechtzeitiger Anmeldung des Bedarfs keinen Betreuungsplatz zur Verfügung stellt. Die betreffende Amtspflicht ist nicht durch die vorhandene Kapazität begrenzt. Vielmehr ist der verantwortliche öffentliche Träger der Jugendhilfe gehalten, eine ausreichende Zahl von Betreuungsplätzen selbst zu schaffen oder durch geeignete Dritte – freie Träger der Jugendhilfe oder Tagespflegepersonen – bereitzustellen. Insoweit trifft ihn eine unbedingte Gewährleistungspflicht.

Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts bezweckt diese Amtspflicht auch den Schutz der Interessen der personensorgeberechtigten Eltern. In den Schutzbereich der Amtspflicht fallen dabei auch Verdienstausfallschäden, die Eltern erleiden, wenn ihre Kinder keinen Betreuungsplatz erhalten. Zwar steht der Anspruch auf einen Betreuungsplatz allein dem Kind selbst zu und nicht auch seinen Eltern. Die Einbeziehung der Eltern und ihres Erwerbsinteresses in den Schutzbereich des Amtspflicht ergibt sich aber aus der Regelungsabsicht des Gesetzgebers sowie dem Sinn und Zweck und der systematischen Stellung von § 24 Abs. 2 SGB VIII. Mit dem Kinderförderungsgesetz, insbesondere der Einführung des Anspruchs nach § 24 Abs. 2 SGB VIII, beabsichtigte der Gesetzgeber neben der Förderung des Kindeswohls auch die Entlastung der Eltern zu Gunsten der Aufnahme oder Weiterführung einer Erwerbstätigkeit. Es ging ihm – auch – um die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben und, damit verbunden, um die Schaffung von Anreizen für die Erfüllung von Kinderwünschen. Der Gesetzgeber hat hiermit zugleich der Erkenntnis Rechnung getragen, dass Kindes- und Elternwohl sich gegenseitig bedingen und ergänzen und zum gemeinsamen Wohl der Familie verbinden.

Demnach kommt ein Schadensersatzanspruch der Klägerinnen aus Amtshaftung in Betracht. Der BGH hat zudem auf Folgendes hingewiesen: Wird der Betreuungsplatz nicht zur Verfügung gestellt, so besteht hinsichtlich des erforderlichen Verschuldens des Amtsträgers zugunsten des Geschädigten der Beweis des ersten Anscheins. Auf allgemeine finanzielle Engpässe kann die Beklagte sich zu ihrer Entlastung nicht mit Erfolg berufen, weil sie nach der gesetzgeberischen Entscheidung für eine ausreichende Anzahl an Betreuungsplätzen grundsätzlich uneingeschränkt – insbesondere ohne „Kapazitätsvorbehalt“ – einstehen muss.

Urteile vom 20. Oktober 2016 – III ZR 278/15, 302/15 und 303/15

Keine Bedürftigkeit, wenn das Eigenheim zu groß ist

Das Bundessozialgericht hat am 12.10.2016 den Anspruch einer Familie auf Leistungen nach dem SGB II abgewiesen, weil das selbstbewohnte Eigenheim einige Quadratmeter zu groß ist. Die Familie bekommt jetzt solange eine Darlehen vom Jobcenter bis das Haus verkauft ist.

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer eines Hausgrundstücks mit einem von ihnen selbst 1996 erbauten Einfamilienhaus, dessen Wohnfläche 143,93 qm beträgt. Sie bezogen das Haus zunächst mit ihren vier Kindern, bewohnten es dann aber nur noch zusammen mit dem jüngsten Sohn.

Das SG Aurich hatte das Jobcenter zunächst verurteilt, den Klägern die Leistungen weiter zu gewähren, weil es sich bei Einzug noch um ein angemessenes Hausgrundstück gehandelt habe. Das Landessozialgericht hatte das Urteil aufgehoben und das Hausgrundstück als Vermögen berücksichtigt, weil auf die Lebensumstände während des Bezugs der Leistungen der Grundsicherung abzustellen sei. Im streitbefangenen Zeitraum sei das Haus nur von drei Personen bewohnt worden. Darauf, dass es ursprünglich für eine sechsköpfige Familie erbaut wurde, komme es nicht an.

Das BSG bestätigt nun, dass die Kläger mangels Bedürftigkeit keinen Anspruch auf Umwandlung der darlehensweise gewährten Leistungen in einen Zuschuss haben. Diesem Anspruch steht entgegen, dass ihr Hausgrundstück mit Einfamilienhaus wegen seiner Größe als Vermögen zu berücksichtigen ist. Nur ein selbst genutztes Hausgrundstück angemessener Größe gilt als Schonvermögen; maßgebend für die Angemessenheit Lebensumstände während des Leistungsbezuges. Für die Beurteilung der Angemessenheit ist die Gesamtwohnfläche des auf dem Grundstück errichteten Hauses maßgeblich. Diese ist bundeseinheitlich nach den Wohnflächengrenzen des zum 01.01.2002 außer Kraft getretenen Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) zu bestimmen, differenziert nach der Anzahl der Personen. Für Familienheime mit nur einer Wohnung, die von bis zu vier Personen bewohnt werden, sah das II. WobauG eine Wohnflächengrenze von 130 qm vor. Diese Wohnflächengrenze ist bei einer Belegung mit weniger als vier Personen um jeweils 20 qm pro Person zu reduzieren. Hiervon ausgehend beträgt die Wohnflächengrenze einer angemessenen Wohnung im Fall der Kläger 110 qm, denn das Haus wurde im streitbefangenen Zeitraum nur von drei Personen bewohnt.

Eine Erhöhung der allgemeinen Angemessenheitsgrenze kann entgegen der Auffassung des LSG auch nicht § 82 Abs. 3 Satz 2 II. WoBauG herangezogen werden, wonach eine Verminderung der Personenzahl nach dem erstmaligen Bezug der Wohnung für die Beurteilung der angemessenen Wohnfläche von steuerbegünstigten Wohnungen unschädlich ist. Die Verwertung des Grundstücks sei auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich.

Keine Grundsicherung für EU-Ausländer

Immer mehr deutsche Sozialgerichte widersprechen der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes, wonach EU-Ausländer, die keine Leistungen vom Jobcenter beanspruchen können, Anspruch auf Leistungen auf Sozialhilfe haben.

Im Februar dieses Jahres hatte das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass EU-Ausländer keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch II oder XII haben, wenn sie sich nur zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland aufhalten. Im August bekräftigte das Gericht nun seine Auffassung und stellte klar, dass sich der Ausschluss auch Familienangehörige erstreckt (Beschluss vom 08. August 2016, Az. L 3 AS 376/16 B ER).

Der Ausschluss von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ergebe sich unmittelbar aus § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, wenn der EU-Bürger allenfalls noch ein Recht zum Aufenthalt zum Zwecke der Arbeitsuche geltend machen könne. Er sei insoweit ausdrücklich mit seinen Familienangehörigen vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Die Familie könne auch keine Grundsicherung nach dem SGB XII (Sozialhilfe) verlangen, entschied das LSG. .

Das Bundessozialgerichts hatte in seinem Urteil vom 03. Dezember 2015 entschieden, dass EU-Bürgern bei einem Aufenthalt von mindestens sechs Monaten im Bundesgebiet Sozialhilfe gewährt werden müsse. Das LSG geht davon aus, dass der Ermessensspielraum der Behörde – anders als vom BSG angenommen – nicht auf Null reduziert sei. Ein Anspruch ergebe sich weder aus dem Gesetz noch sei er durch das Grundgesetz oder Europäisches Recht geboten

Krankenversicherung muss IMRT Bestrahlung bezahlen

Das Landgericht Lüneburg hat mit Urteil vom 02.08.2016 entschieden (Az.: 5 O 179/13), dass eine IMRT-Bestrahlung bei der Behandlung von Prostatakarzinomen ist als medizinisch notwendig anzusehen und deshalb von der privaten Krankenversicherung zu erstatten ist.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei die IMRT-Bestrahlung eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode, die geeignet ist, zu heilen beziehungsweise die Krankheit zu lindern. Die IMRT-Bestrahlung sei zudem wesentlich weniger belastend als die konventionelle 3-D-Bestrahlung.

Ein Flugzeug ist noch kein Museum

Verpflichtung zur Zahlung der Künstlersozialabgabe für Museen – Landessozialgericht Berlin- Brandenburg – Urteil vom 11.03.2016 – L 1 KR 120/14

Tatbestand
Im Streit stehen primär die Abgabenpflicht des Klägers zur Künstlersozialversicherung und eine konkrete Abgabenfestsetzung über 1 125,57 Euro. Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in G. Ihm gehört ein stillgelegtes Passagierflugzeug, die I. Der Vereinsname geht auf O L zurück, der 1896 bei einem seiner Gleitflüge am G in S (tödlich) verunglückte. Seit 2007 gibt es auf dem G an der Absprungstelle eine Skulptur, die „W“.

Der Kläger hatte hierzu den Künstler E B mit der Erstellung beauftragt. Er zahlte diesem ein Honorar von insgesamt 22 070,00 Euro. Mit Bescheid vom 12. Februar 2008 stellte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) nach einer Betriebsprüfung für den Zeitraum 2002 bis 2006 fest, dass der Kläger der Abgabenpflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) unterliege. Die Abgabepflicht sei konkret nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 KSVG festzustellen, weil der Kläger als Unternehmer ein Museum betreibe. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Nach Eingang des Meldebogens der abgabepflichtigen Entgelte für das Jahr 2007 berechnete die Beklagte aufgrund der Zahlungen an den genannten Bildhauer mit Bescheid vom 22. April 2008 für das Jahr 2007 eine Künstlersozialabgabe in Höhe von 1 125,57 Euro. Der Kläger erhob Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2008 zurückwies.

Hiergegen erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Potsdam (SG). Er nahm die Klage im Verhandlungstermin am 8. April 2010 zurück, nachdem das SG auf den Feststellungsbescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 12. Februar 2008 hingewiesen hatte (Az.: S 36 R 743/08).

Am 27. Mai 2010 beantragte der Kläger eine Überprüfung des Bescheides vom 12. Februar 2008 nach § 44 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Die DRV Bund lehnte eine Rücknahme des Bescheides vom 12. Februar 2008 zunächst mit Bescheid vom 29. September 2010 ab. Sie hob dann im Widerspruchsverfahren mit Bescheid vom 18. November 2010 den Bescheid vom 29. September 2010 und den Prüfbescheid vom 12. Februar 2008 für den Zeitraum 2002 bis 2006 auf und stellte fest, dass in diesem Zeitraum keine Abgabenpflicht bestehe.

Der Kläger beantragte daraufhin mit Schreiben vom 25. April 2011 (eingegangen 3. Mai 2011) bei der Beklagten, ihm die Kosten zu erstatten, welche durch den falschen Bescheid zu Unrecht entstanden seien, nämlich 1 125,57 Euro Künstlersozialabgabe, Gerichts- und Fahrtkosten, sowie Kosten für einen Rechtsanwalt über 120,00 Euro für Rechtsanwalt, insgesamt 1 849,07 Euro. Die Beklagte wertete dies als Überprüfungsantrag.

Sie lehnte mit erstem Bescheid vom 5. Juli 2011 den Antrag auf Aufhebung des Bescheides vom 22. April 2008 (Abrechnung für das Jahr 2007) in der Fassung des Widerspruchbescheids vom 29. Juli 2008 nach § 44 SGB X und eine Erstattung ab. Die grundsätzliche Abgabepflicht des Klägers ab 1. Januar 2007 sei nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Alt. 2 sowie Nr. 8 KSVG festzustellen. Die Beklagte gehe von einer nachhaltigen unternehmerischen abgabepflichtigen Tätigkeit aus: Der Kläger zeige in einem umgebauten Flugzeug eine dauerhafte Ausstellung mit zahlreichen Exponaten über den Flugpionier O L. Der Kläger erhebe für den Besuch der Ausstellung bei regelmäßigen Öffnungszeiten Eintritt. Er betreibe ein Museum. Auch sei satzungsmäßiger Zweck des Klägers die Förderung von Kunst und Kultur. Gemäß dem eigenen Internetauftritt sei der Kläger das ganze Jahr über sehr aktiv in der Organisation und Durchführung von traditionellen und kulturellen Festen und Veranstaltungen.

Auch die Einbeziehung der an den Bildhauer für die Erstellung einer Skulptur gezahlten Entgelte nach § 25 Abs. 1 KSVG sei nicht zu beanstanden. Der Abgabetatbestand erstrecke sich auf alle Aktivitäten eines abgabepflichtigen Unternehmens. Sie weiche damit im Ergebnis von der Auffassung der DRV Bund ab.

Mit weiterem Bescheid vom 5. Juli 2011 lehnte die Beklagte eine Kostenerstattung ab. Der Kläger habe nämlich gemäß der Niederschrift des SG vom 8. April 2010 die frühere Klage zurückgenommen. Bei Klagerücknahme komme eine Kostenerstattung nicht in Betracht.Der Kläger erhob hiergegen Dienstaufsichtsbeschwerde sowie am 5. August 2011 Widersprüche, welche die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2011 zurückwies.

Hiergegen richtet sich die am 20. Januar 2012 beim SG eingegangene Klage: Der Kläger habe kein Museum in der I, sondern nur eine kleine Ausstellung, die mittlerweile (zum 30. September 2011) aus dem Flugzeug entfernt worden sei. Die kleine Ausstellung auf 18 m2 könne niemals ein Museum sein. Es gebe weder wertvolle Gegenstände noch historische Dokumente. Vorhanden sei lediglich eine Aneinanderreihung von Zeitungsartikeln und vergrößerten Bildern aus Lehrbüchern von O L. Weiter gebe es Gegenstände, die von ehemaligen I-Beschäftigten überlassen bzw. zur Leihe übergeben worden seien (Uniformen und Gebrauchsgegenstände aus dem Flugzeug wie Wimpel und Anstecknadeln, Geschirr und andere Gegenstände). Der Eintritt werde nicht für eine Ausstellung gefordert, sondern für die Besichtigung des Flugzeugs und für die Aufführung eigenen Filmmaterials von der spektakulären Landung des Flugzeuges 1989 auf dem nur 860 m langen Segelflugplatz S.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 13. März 2014 abgewiesen (Zustellung: 9. April 2014). Zu Recht habe die Beklagte eine Kostenerstattung abgelehnt. Nach der Rücknahme seiner ersten Klage habe der Kläger die Kosten nach dem Gesetz (§ 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) zu tragen.

Die Beklagte habe auch zutreffend dem Grunde nach eine Abgabenpflicht zur Künstlersozialversicherung festgestellt. Der Kläger betreibe ein Museum nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 KSVG. Im vorderen Teil der I eine Ausstellung mit Bildern, Dokumentationen und ähnlichem aus dem Leben und zum Gedenken O L. Sowohl durch die Ausstellung im Flugzeug im Andenken an O L als auch nunmehr mit der Dauerausstellung über die zivile Luftfahrtgesellschaft sei der Kläger als Museum anzusehen.

Mit Schriftsatz vom 10. April 2014 (Eingang) hat der Kläger erklärt, weiter zu klagen, weil er so ein Urteil nicht hinnehme.

Die Gegenstände der Ausstellung im Flugzeug könnten bequem im Kofferraum eines Autos untergebracht werden. Im Heck seien das Standesamt und Sitzreihen für 60 Besucher, die sich den Film der Landung ansehen könnten. Nur hierfür werde das Eintrittsgeld erhoben. Im Vorderteil des Flugzeugs sei nur das Cockpit mit den Instrumenten und den vier Sitzen der Crew für die Besucher interessant. Der Internetauftritt des Klägers sei von Schülern und fachunkundigen Personen erstellt worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 13. März 2014 und die Bescheide vom 5. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Dezember 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 22. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 29. Juli 2008 aufzuheben sowie dem Kläger die gezahlten Abgaben zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Sie beruft sich auf ihr bisheriges Vorbringen und regt vorsorglich an, die Revision zuzulassen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat im Wesentlichen Erfolg.

Der Kläger kann die Begehren gegen die erlassenen Bescheide nach § 56 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in einer Klage zusammen verfolgen, da sie sich gegen denselben Beklagten richten und im Zusammenhang stehen.

Die Klage gegen den eine Rücknahme ablehnenden Bescheid vom 5. Juli 2011 ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG zulässig (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 54 Rdnr. 20 c; BSG, Urteil vom 8. Oktober 2014 – B 3 KS 6/13 R).

Sie ist auch begründet.

Der Bescheid vom 5. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte eine Abgabenpflicht dem Grunde nach ab dem 1. Januar 2007 festgestellt hat und es abgelehnt hat, den Bescheid vom 22. April 2008 aufzuheben.

Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb u. a. Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Das Sozialgesetzbuch findet nach § 36a KSVG auch im Verhältnis der zur Abgabe Verpflichteten zur Beklagten Anwendung.

Abgaben nach §§ 23ff KSVG sind „Beiträge“ im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X. Es handelt sich um Sozialversicherungsbeiträge. Sie stellen einen „Quasi-Arbeitgeberbeitrag“ dar, den Verwerter und Vermarkter von künstlerischen oder publizistischen Werken oder Leistungen an die Künstlersozialkasse zu entrichten haben (vgl. BSG, Urt. v. 8. Oktober 2014 – B 3 KS 6/13 R- Rdnr. 14).

Hier bestand keine grundsätzliche Abgabepflicht des Klägers, der kein abgabepflichtiges Unternehmen im Sinne des § 24 KSVG betreibt. Bei dem Auftrag an den Bildhauer im Jahr 2007 hat es sich deshalb nicht um einen abgabepflichtigen Vorgang gehandelt.

Der Kläger betrieb und betreibt kein Unternehmen eines Museums nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 KSVG.

Was ein Museum ist, hat das BSG bereits im Urteil vom 25. Januar 1995 geklärt (Az. 3/12 RK 61/93 juris-Rdnr 13):

Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird unter einem Museum ein Institut verstanden, in dem Kunstwerke sowie kunstgewerbliche, wissenschaftliche oder technische Sammlungen aufbewahrt oder ausgestellt werden (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der Deutschen Sprache, Band 4, Seite 1832). Der Deutsche Museumsverband versteht unter einem Museum eine aus erhaltenswerten, kultur- und naturhistorischen Objekten bestehende Sammlung, die zumindest teilweise regelmäßig als Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich ist, gemeinnützigen Zwecken dient und keine kommerzielle Struktur und Funktion hat sowie eine fachbezogene – etwa kulturhistorische, historische, naturkundliche, geographische – Konzeption aufweist. Es muss weiter fachlich geleitet sein, seine Objektsammlung muss fachmännisch betreut werden und wissenschaftlich ausgewertet werden können. Hinzukommen muss eine eindeutige Bildungsfunktion der Schausammlung des Museums.

Sowohl nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, als auch nach der Definition eines Museums des Deutschen Museumsverbandes, auf welche sich die Beklagte beruft, handelt es sich bei der Ausstellung des Klägers ab 2007 nicht um ein Museum.

Es fehlt an einer Sammlung im vorgenannten Sinne.

Einziges nennenswertes museumswürdiges, Objekt ist nämlich das Flugzeug selbst. Die weiteren Ausstellungsstücke haben unstreitig weder für sich alle noch in Kombination mit dem Flugzeug den Charakter einer Sammlung aus erhaltenswerten, technisch- oder wirtschaftshistorischen Objekten. Nicht jede Ausstellung an einem festen Ort ist ein Museum.

Es gibt ferner keine fachliche Leitung, keine wissenschaftliche Auswertbarkeit und auch kein ersichtliches Ausstellungskonzept.

Nach dem unstreitigen Vorbringen bestehen die Ausstellungsgegenstände in einem Sammelsurium aus Fluginventar bzw. mit dem Flugbetrieb der I zusammenhängenden Gegenständen (Uniformen, Servierwagen, Bordkarten) einer Aneinanderreihung von Zeitungsartikeln, welche die Landung behandeln, Bilder der Crew, die das Flugzeug 1989 landete, einige etwas vergrößerte Bildern aus dem Buch O L „Der Vogelflug“ von 1889. Letztere sind in dem vom Senat in das Verfahren eingeführten Videoclip kurz zu sehen, welche das Flugzeug noch vor der Umgestaltung im Jahr 2011 zeigt.

Die Gedenkstätte auf dem G befindet sich nicht in der Nähe des Flugzeugs. Eine Bildungsfunktion ist deshalb schwerlich ersichtlich.

Dass der Kläger, wie der Beklagte primär unter Bezugnahme auf den Internetauftritt des Klägers behauptet, eine Ausstellung von technisch und historisch bedeutsamen Gegenständen habe, ist demgegenüber nicht festzustellen. Von Interesse der Besucher ist primär der Film über die spektakuläre Landung des Flugzeugs. Auch bei einer eher allgemeinen Betrachtung scheidet eine Bewertung des Klägers als Unternehmen, das ein Museum betreibt, aus.

Abgabepflichtige Unternehmen sollen nach dem gesamten Sinne der Künstlersozialabgabe die „professionellen Vermarkter“ sein, die ähnlich wie Arbeitgeber von Gesetzes wegen an der Finanzierung der Sozialversicherungsbeiträge beteiligt werden (BSG, Urt. vom 25. Januar 1995, juris-Rdnr. 15).

Nur die im Katalog des § 24 Abs. 1 S. 1 KSVG aufgeführten Unternehmen gelten kraft Gesetzes als solche „professionelle Kunstvermarkter“ (BSG, Urt. v. 18. September 2008 -B 3 KS 1/08 R- juris-Rdnr. 30 mit Bezug auf BSGE 80, 141, 143).

Die Einbeziehung der Museen zielt deshalb auf Kunstmuseen und nicht auf Museen allgemein. Dem Gesetzgeber kann jedoch auf eine genauere Differenzierung verzichten, sondern vom typischen Erscheinungsbild eines Museums ausgehen (BSG, Urt. v. 25. Januar 1995, juris-Rdnr. 16). Dies gebietet aber, restriktiv mit dem Begriff des Museums umzugehen.

Der Kläger ist abschließend auch kein Verwerter von Kunst als sonstiges Unternehmen im Sinne des § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSVG. Der Auftrag zur Schaffung der „W“ war ein einmaliger Vorgang. Weitere Kunst- oder Kulturförderung betreibt der Kläger unstreitig nicht.

Der weitere Bescheid vom 5. Juli 2011 stellt sich als rechtmäßig dar. Das SG hat die Klage insoweit zutreffend abgewiesen. Auf dessen Ausführungen wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen. Das Leistungsbegehren auf Rückerstattung ist nach Aufhebung des Bescheides vom 22. April 2008 begründet, § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 1VwGO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor. Was ein Museum im Sinne des KSVG ist, hat das BSG bereits geklärt.

…wenn über den Antrag nicht entschieden wird…

Das SGB V regelt, dass eine Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Eingang des Antrags bzw. in Fällen, in denen z.B. eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden hat.

Verschafft sich der Versicherte nach Ablauf der Frist die Leistung selbst, kann er Erstattung von der Krankenkasse verlangen. Das Bundessozialgerichts hat am 08.03.2016 entschieden, dass der Antrag als genehmigt gilt, wenn über den Antrag nicht binnen drei Wochen entschieden wurde, ohne hierfür Gründe mitzuteilen. Die begehrte Therapie darf nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegen und muss aufgrund der Einschätzung der behandelnden Therapeutin erforderlich sein.

BSG, 08.03.2016, Az. B 1 KR 25/15 R

Darlehen vom Jobcenter nur in Höhe von 10 % vom Regelsatz

Nach § 42 a Abs. 2 SGB II werden Rückzahlungen aus vom Jobcenter gewährten Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs getilgt, solange der Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezieht.

Auch für die Tilgung mehrerer Darlehen ist die Aufrechnungssumme auf 10 % des Regelbedarfs begrenzt. Dies entschied am 06.07.2015 das Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg per beschluss im einstweiligen Rechtsschutz.

Fordert das Jobcenter mehr zurück, sollte gegen die Aufrechnung zunächst fristgerecht Widerspruch eingelegt werden. Dieser Widerspruch entfaltet bereits aufschiebende Wirkung. Rechnen die Jobcenter dennoch weiter auf, können sie im Rahmen einer einstweiligen Anordnung gerichtlich verpflichtet werden, die Aufrechnung nur in rechtmäßiger Höhe vorzunehmen.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, L 32 AS 1688/15 B ER

Ausschlussfrist

OLG Braunschweig, 02.12.2015 – 3 U 62/14

Die fünfjährige Ausschlussfrist für die Geltendmachung der Rechte des Versicherers wegen einer Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers nach § 21 Abs. 3 Satz 1 VVG entfällt nur dann, wenn während des Fristlaufs die versicherungsmäßigen Bedingungen für die Leistungspflicht des Versicherers eintreten. Allein die Geltendmachung eines Leistungsanspruchs durch den Versicherungsnehmer für einen in diese Zeit fallenden vermeintlichen Versicherungsfall genügt hierfür nicht.

Abstrakte Verweisung

OLG Schleswig, 17.12.2015 – 16 U 50/15

Im Rahmen der abstrakten Verweisung in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ist bei der Prüfung, ob die verwiesene Tätigkeit „der Lebensstellung“ des Versicherten entspricht, eine Gesamtbetrachtung in Bezug auf das Ansehen des Berufes und den konkreten Verdienst anzustellen. Ist mit dem grundsätzlich höher angesehenen Beruf (hier: Selbständiger Hufbeschlagschmied) kein auskömmliches Einkommen zu erzielen, wohl aber mit dem verwiesenen Beruf (hier: Maschinenführer in der Landwirtschaft), ist der Versicherer leistungsfrei.

Freie Wahl der Krankenkasse

Ich habe leider voreilig einen neuen Vertrag bei einer gesetzlichen Krankenkasse abgeschlossen. Die neue Kasse wäre zum 1. Februar für mich zuständig! Kann ich noch vom Vertrag zurück treten?

Nach § 173 SGB V können Versicherungspflichtige und Versicherungsberechtigte nach den §§ 5 bis 10 SGB V wählen, ob sie sich bei einer Ortskrankenkasse des Beschäftigungs- oder Wohnorts, einer Ersatzkasse, einer Betriebs- oder Innungskrankenkasse, bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See oder bei der Krankenkasse, bei der der Ehegatte oder der Lebenspartner versichert ist, krankenversichern. Die besonderen Bedingungen für eine Aufnahme regelt jeweils die Satzung der Krankenkasse.

Sie haben mit dem Abschluss des „neuen Vertrages“ Ihr Wahlrecht nach § 175 SGB V ausgeübt. An diese Wahl wären Sie 18 Monate gebunden. Erst danach wäre eine Kündigung zum Ende des übernächsten Kalendermonats möglich. Wegen der absoluten Versicherungspflicht wäre die Kündigung zudem erst wirksam, wenn Sie die Mitgliedschaft in einer anderen gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung nachweisen. Abweichend von der 18-Monatsfrist wäre eine Kündigung des Versicherungsvertrages nur möglich, wenn die Krankenkasse erstmals einen Zusatzbeitrag erhoben oder einen Zusatzbeitrag erhöht hätte. Dann könnte die Mitgliedschaft bis zum Ablauf des Monats, in dem der Zusatzbeitrag erstmals erhoben wird, gekündigt werden.

Sie erklären aber, dass die Versicherung erst zum 01.02.2016 „zuständig“ wird. Ich gehe davon aus, dass Ihre Kündigung des „alten“ Versicherungsvertrages erst zum 31.01.2016 wirksam wird. Unabhängig davon, ob Ihre gesetzliche Versicherungspflicht erstmals zum 01.02.2016 eintritt oder ob Sie innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung unter Einhaltung der Kündigungs- und Bindungsfristen wechseln, besteht noch die Möglichkeit, die bisherige Wahl zu widerrufen und eine andere Kasse zu wählen, weil die Bindung, die durch einen Vertragsbeginn zum 01.02.2016 entsteht, noch gar nicht eingetreten ist.

Tagesspiegel, Rechtsfrage an Denise Paetow, Fachanwältin für Sozialrecht, Januar 2016

Besteuerung von Renteneinkünften verfassungsgemäß

Mit den Beschlüssen vom 29. und 30.09.2015 hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts drei Verfassungsbeschwerden gegen das zum 1. Januar 2005 in Kraft getretene Alterseinkünftegesetz nicht zur Entscheidung angenommen. Nach dessen Regelungen findet ein Systemwechsel hin zu einer nachgelagerten Besteuerung statt, so dass Renteneinkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus berufsständischen Versorgungen – zunächst mit einem Anteil von 50 % und dann bis 2040 graduell auf 100 % ansteigend – besteuert werden.

1. Die Regelungen des Alterseinkünftegesetzes, die den angegriffenen Entscheidungen zugrunde liegen, verletzen die Beschwerdeführer nicht in ihrem Gleichheitsrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.

a) Der Bundesfinanzhof hat zu Recht angenommen, dass der Gesetzgeber mit der neuen Ausrichtung auf die nachgelagerte Besteuerung, soweit sie in der endgültigen Ausgestaltung zu einer die gesamten Renteneinnahmen umfassenden Besteuerung führt, grundsätzlich eine den Gleichheitssatz nicht verletzende Regelung geschaffen hat. Die unterschiedslose Besteuerung der Alterseinkünfte von vormaligen Arbeitnehmern und vormals selbständig Tätigen nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG führt nicht zu einer Ungleichbehandlung dieser beiden Personengruppen, weil die Rentenanwartschaften beider in der aktiven Phase unter vergleichbaren Bedingungen aus nicht versteuertem Einkommen gebildet werden können. Dadurch unterscheiden sich beide gleichermaßen von den Renten aus privaten Renten- oder Lebensversicherungen, die – aufgrund ihrer „vorgelagerten“ Besteuerung in der Aufbauphase – in der Auszahlungsphase nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb EStG nur mit einem Ertragsanteil der Besteuerung unterliegen.

Vorliegend bedarf keiner Entscheidung, ob und inwieweit die Begrenzung der steuerlichen Abzugsmöglichkeiten für Altersvorsorgeaufwendungen auf einen Höchstbetrag von 20.000 € beziehungsweise 40.000 € bei zusammenveranlagten Ehegatten den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht wird, weil hier nur die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Renteneinkünften zu beurteilen ist, die auf Beitragsleistungen in der Zeit vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes beruhen.

b) Auch die Übergangsregelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 3 EStG verletzt die Beschwerdeführer nicht in ihrem Gleichheitsrecht. Diese sieht vor, dass auch Leibrenten und andere Leistungen aus der Basisversorgung, die vor dem oder im Jahr 2005 begonnen haben, mit einem einheitlichen Besteuerungsanteil in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage eingehen, obwohl in der Aufbauphase die korrespondierenden Altersvorsorgeaufwendungen je nach der Art der ausgeübten Erwerbstätigkeit in unterschiedlichem Maße steuerlich entlastet wurden.

aa) Im Verhältnis zwischen vormaligen Arbeitnehmern und Selbständigen ist diese Gleichbehandlung in der Auszahlungsphase verfassungsrechtlich hinzunehmen. Auch wenn die Strukturunterschiede zwischen den einzelnen Altersvorsorgeeinrichtungen nicht jede einkommensteuerliche Ungleichbehandlung von Altersvorsorgeaufwendungen ehemals selbständig und ehemals nichtselbständig Versicherter bei gleicher Besteuerung der Alterseinkünfte rechtfertigen, bewegt sich die Übergangsregelung noch innerhalb des weiten Gestaltungsspielraums, der dem Gesetzgeber bei der angestrebten umfassenden Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen zukommt. Der Gesetzgeber durfte für die Übergangszeit die Notwendigkeit einfacher, praktikabler und gesamtwirtschaftlich tragfähiger Lösungen in eine Abwägung mit den Erfordernissen einer folgerichtigen Ausrichtung der Einkommensbesteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen einstellen. Die Festlegung individueller Besteuerungsanteile für jeden einzelnen Steuerpflichtigen in Abhängigkeit vom Umfang oder der Dauer seiner früheren Tätigkeit hätte zur Folge gehabt, dass die frühere steuerliche Behandlung der eingezahlten Beiträge eines jeden Steuerpflichtigen hätte ermittelt werden müssen.

Im Verhältnis zwischen vormals Pflichtversicherten und Beamten, die zusätzlich zu ihrer Beamtenversorgung freiwillig Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet haben, gilt im Ergebnis nichts anderes. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung in der Aufbauphase war vor allem dadurch gekennzeichnet, dass einerseits zwar die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für Arbeitnehmer teilweise, jedoch nicht vollständig steuerbefreit waren oder als Sonderausgaben steuermindernd geltend gemacht werden konnten, dass aber andererseits die nicht für ihre Altersvorsorge beitragsbelasteten Beamten in weitergehendem Umfang als die Pflichtversicherten sonstige Vorsorgeaufwendungen und damit auch freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage abziehen konnten. Vor diesem Hintergrund durfte der Gesetzgeber – ebenso wie bei Selbständigen – dem Gesichtspunkt der einfachen und praktikablen Handhabbarkeit der Übergangsregelung eine maßgebliche Bedeutung zumessen.

bb) Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung entsteht auch nicht deshalb, weil bestimmte Renten aus privaten Leibrentenversicherungen im Gegensatz zu auf freiwilligen Beiträgen beruhenden Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung übergangsweise weiterhin nur einer Ertragsanteilsbesteuerung unterworfen bleiben, obwohl die Vorsorgeaufwendungen dafür in der Ansparphase steuerlich begünstigt waren oder noch sind. Die Übergangsregelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 3 EStG dient dazu, einen schrittweisen Übergang vom bisherigen Recht in das neue steuerliche System der nachgelagerten Besteuerung zu bewerkstelligen. Vor diesem Hintergrund war es folgerichtig, Leistungen aus solchen Leibrentenversicherungen nicht in das neue System zu überführen, die nach neuem Recht – abgesehen von einer Übergangsphase – nicht durch einen Sonderausgabenabzug steuerlich begünstigt sind und daher auch nicht einer nachgelagerten Besteuerung unterworfen werden können. Das unterscheidet sie von auf freiwilligen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung beruhenden Leibrenten, die auch nach neuem Recht als Sonderausgaben steuerlich geltend gemacht werden können.

c) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt auch nicht, die auf freiwilligen Beiträgen an die Ärzteversorgung beruhende Rente des Beschwerdeführers im Verfahren 2 BvR 1961/10 – wie von ihm geltend gemacht – nach der Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb Satz 2 EStG zu besteuern. Die Öffnungsklausel soll der Gefahr einer Doppelbesteuerung begegnen in Fällen, in denen vor Inkrafttreten der Neuregelung für einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren Beiträge oberhalb des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet worden sind. Wegen der bereits genannten steuerlichen Abzugsmöglichkeiten besteht eine vergleichbare Gefahr bei einer auf freiwilligen Beiträgen eines Beamten zur berufsständischen Versorgung beruhenden zusätzlichen Rente nicht.

2. In den vorliegenden Fällen liegt keine verfassungswidrige Doppelbesteuerung vor.

a) Die Summe der Renteneinkünfte, die die Beschwerdeführer der Verfahren 2 BvR 2683/11 und 2 BvR 1961/10 jeweils bereits steuerfrei bezogen haben, übersteigt die Summe der von ihnen geleisteten Beiträge. Auch der Beschwerdeführer des Verfahrens 2 BvR 1066/10 wird nach den Feststellungen der Fachgerichte – unter Zugrundelegung einer statistischen Lebenserwartung von 20 Jahren ab Renteneintritt – steuerfreie Rentenleistungen in einer Höhe erhalten, die die Summe seiner geleisteten Rentenversicherungsbeiträge um die Hälfte übersteigt.

b) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer begegnet die Anwendung des Nominalwertprinzips bei der Gegenüberstellung der Beitragszahlungen mit dem nicht steuerbaren Rentenzufluss keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits wiederholt entschieden, dass es aus Gründen der Klarheit und Handhabbarkeit des Rechts wie auch aus währungspolitischen Gründen nicht zu beanstanden ist, dass das Einkommensteuerrecht vom Nominalwertprinzip ausgeht, das ein tragendes Ordnungsprinzip der geltenden Währungsordnung und Wirtschaftspolitik darstellt.

3. Die Anhebung des Besteuerungsanteils von der früheren Ertragsanteilsbesteuerung auf 50 % sämtlicher Rückflüsse in der Auszahlungsphase verletzt nicht die rechtsstaatlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbots.

Das Alterseinkünftegesetz regelt weder die Besteuerung der vor dem 1. Januar 2005 ausgezahlten Renten rückwirkend neu noch verändert es die steuerliche Behandlung bereits vor seinem Inkrafttreten getätigter Altersvorsorgeaufwendungen. Es erfasst aber Tatbestände, die bereits vor Verkündung in Gang gesetzt worden sind, und wirkt auf diese für die Zukunft ein. Daher handelt es sich um eine unechte Rückwirkung. Die sofortige Anhebung des Besteuerungsanteils auf 50 % war zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich. Sie wahrt auch die Grenze der Zumutbarkeit.

Es ist schon fraglich, ob der rückwirkenden Änderung der Rentenbesteuerung überhaupt ein schutzwürdiges Vertrauen der Beschwerdeführer in eine Fortgeltung der früheren Rechtslage entgegensteht. Bereits seit einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 1980 (BVerfGE 54, 11) war für die Beschwerdeführer erkennbar, dass die für sie günstige Ertragsanteilsbesteuerung rechtlich angreifbar war. Die Entscheidung vom 6. März 2002 stellt insoweit eine konsequente Fortführung der Rechtsprechung dar.

Selbst wenn man das Vertrauen der Beschwerdeführer an einer Fortgeltung der Ertragsanteilsbesteuerung als grundsätzlich schutzwürdig erachtet, rechtfertigt der dadurch entstandene Änderungsbedarf die nachträgliche Belastung der Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem höheren Besteuerungsanteil. Gegenüber dem Vertrauen der Beschwerdeführer fällt hier entscheidend ins Gewicht, dass der Gesetzgeber mit der Verabschiedung des Alterseinkünftegesetzes dem verfassungsrechtlichen Auftrag nach einer Neuordnung der Regelungen zur Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften nachgekommen ist. Eine Neuordnung nur für die Zukunft, also eine nachgelagerte Besteuerung erst solcher Renten, die ganz oder überwiegend auf Beitragsleistungen in der Zeit nach Inkrafttreten der Neuregelung beruhen, hätte bedeutet, dass die verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Versorgungsempfängern über einen erheblichen Zeitraum fortgedauert hätte.

…der unredliche Agent…

OLG Karlsruhe, 13.08.2015 – 9 U 50/14

Behauptet der Versicherungsnehmer, der Agent habe seine Angaben nicht in den Antrag für eine Berufsunfähigkeitsversicherung aufgenommen mit dem (unzutreffenden) Hinweis, der Versicherer werde vor Annahme des Antrags ohnehin Auskünfte zur Krankengeschichte beim behandelnden Arzt einholen, obliegt es dem Versicherer, diese Darstellung zu widerlegen, wenn er eine arglistige Täuschung durch den Versicherungsnehmer geltend macht.

Es gibt bei der Aufnahme von Versicherungsanträgen keinen Erfahrungssatz dahingehend, dass ein unredliches Verhalten des Versicherungsnehmers wahrscheinlicher ist als ein unredliches Verhalten des Versicherungsagenten. Vielmehr sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen, wenn der Versicherer behauptet, der Agent habe sich bei der Aufnahme des Antrags korrekt verhalten.

Fehlen in einem Versicherungsantrag für eine Berufsunfähigkeitsversicherung schwerwiegende Vorerkrankungen, deren Bedeutung bei Antragstellung für den Versicherungsnehmer auf der Hand liegt, spricht dies unter Umständen eher für ein unredliches Verhalten des Agenten als für ein unredliches Verhalten des Versicherungsnehmers. Denn der Agent kennt die generelle Praxis des Versicherers, der bei einem späteren Leistungsantrag die gesamte Krankengeschichte des Versicherungsnehmers – auch für die Zeit vor Vertragsschluss – durch Auskünfte sämtlicher in Betracht kommenden Ärzte überprüfen wird, mit der naheliegenden Konsequenz einer Arglistanfechtung.

Mündlich gestellte Gesundheitsfragen

OLG Hamm, 03.02.2015 – 26 U 153/13

Ist das Antragsformular mit den Gesundheitsfragen von einem Versicherungsvertreter ausgefüllt worden, so hat der Versicherer den Nachweis zu führen, dass die Fragen in einer Art und Weise vorgelesen worden sind, die das Ausfüllen des Formulars durch den Versicherungsvertreter einer eigenverantwortlichen Beantwortung durch den Antragsteller vergleichbar erscheinen lassen.

Sind die Antragsfragen korrekt gestellt, so kann sich der Versicherungsnehmer nicht mit der Behauptung entschuldigen, er habe die Fragen nicht verstanden. Ein der deutschen Sprache nicht ausreichend kundiger Ausländer muss sich in Eigeninitiative den Text des Formulars übersetzen lassen. Hat bei der Antragsaufnahme ein Dolmetscher mitgewirkt, so scheidet ein Berufen auf unzulängliche Sprachkenntnisse aus.

Rente trotz Erwerbsfähigkeit von sechs Stunden

Versicherte können trotz Leistungsvermögens von täglich 6 Stunden Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente haben können

Nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichtes ist es für einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI entscheidend , „ob der Versicherte mit seinem individuellen gesundheitlichen und beruflichen Leistungsvermögen Tätigkeiten ausüben kann, mit denen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Erwerbseinkommen zu erzielen ist […]“

Versicherte können dann einen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente haben, wenn ein sog. „Katalogfall“ aus der Rechtsprechung des BSG vorliegt oder wenn bei einem sechsstündigen Leistungsvermögen eine „besondere spezifische Leistungsbehinderung“ bzw. eine „Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen“ vorliegt und die Rentenversicherung dem Versicherten keine konkrete Berufstätigkeit mit ihren das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen benennen konnte.

Kausalität der Anzeigepflichtverletzung

OLG München, 21.06.2013 – 25 U 4527/11

Beschwerden im Bereich der Zwischenrippen, der Wirbelsäule und des Rücken sowie entsprechende Untersuchungen sind beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung als gefahrerhebliche Umstände anzugeben.

Hatten die Umstände, wegen der die Anzeigepflicht verletzt wurde, keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls und den Umfang der Leistung, so besteht trotz des Rücktritts Anspruch auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente für die Vergangenheit und die Zukunft.

Mietobergrenze verfassungsgemäß?

Das Sozialgericht Mainz hat dem Bundesverfassungsgericht folgende Frage zur Prüfung vorgelegt:

Ist es mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar, dass Bedarfe für Unterkunft und Heizung lediglich anerkannt werden, soweit sie „angemessen“ sind, ohne dass der Gesetzgeber nähere Bestimmungen darüber getroffen hat, unter welchen Umständen von unangemessenen Aufwendungen auszugehen ist?

Die 3. Kammer des SG Mainz hat jetzt entschieden, dass § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II gegen die Verfassung verstößt, weil er zu unbestimmt ist. Es lässt sich kein bezifferbarer und damit klagbarer Anspruch auf Leistungen ableiten. Die Ausgestaltung des Anspruchs auf ein soziokulturelles Existenzminimum darf aber nicht an die Verwaltung oder die Gerichtsbarkeit delegiert werden.

Der Beschluss des SG Mainz setzt sich mit der Rechtsprechung des BVerfG zum Anspruch auf eine wirtschaftliche Grundsicherung grundsätzlich auseinander. Er erklärt, dass die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Existenzsicherung bislang weder ausgereift, noch widerspruchsfrei ist. Der Beschluss ist damit auch ein wichtiger Beitrag zur Frage, wie weit der menschenrechtliche Anspruch auf eine das soziokulturelle Existenzminimum sichernde Leistung reicht.

Link zum Vorlagebeschluss

„…, soweit diese angemessen sind“

Das Sozialgericht Mainz hat mit Beschluss vom 12.12.2014 (S 3 AS 130/14) ein Verfahren ausgesetzt, in dem es um die Übernahme von Aufwendungen für die Unterkunft im Rahmen von Leistungen nach dem SGB II geht.

Das Gericht hält § 22 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB II („…, soweit diese angemessen sind“) für verfassungswidrig und hat die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt. Das Bundesverfassungsgericht muss über den Vorlagebeschluss mit einer schriftlichen Begründung entscheiden.